Existenzangst reloaded
11. Oktober 2009 um 17:55 Uhr von Atari-Frosch
Mitte Mai hatte ich bereits den Antrag auf Verlängerung der Erwerbsminderungsrente gestellt. Als ich Ende August „schon” Mitte Juni zu einem Düsseldorfer Psychiater geladen wurde, um mich für diesen Antrag untersuchen zu lassen, war das für mich nur noch Formsache. An meiner Arbeitsfähigkeit, insbesondere meiner Konzentrationsfähigkeit und der Fähigkeit, Leistungs-/Zeitdruck auszuhalten, hat sich, seit ich die Rente beziehe, leider — und teilweise „dank” Repressionsamt („Sozialamt”) nichts geändert.
Aus der Formsache wurde nun eine Sache der Existenzangst, denn dieser Psychiater beschloß, meine Depressionen seien nicht mehr so schlimm (leicht- statt mittelgradig), und ich sei deswegen jetzt ohne Probleme wieder in der Lage, mindestens 6 h/Tag zu arbeiten. Ob er zu dieser Einschätzung gedrängt worden war oder der Rentenversicherung von sich aus einen Gefallen tun wollte, kann ich nicht beurteilen, da ich den Mann vorher noch nie gesehen hatte. Jedenfalls bekam ich letzten Montag Nachmittag den ablehnenden Rentenbescheid, und das heißt, daß mich die Rentenversicherung der ARGE zum Fraß vorwirft.
Den Widerspruch habe ich natürlich schnellstmöglich fertiggemacht, der ging am Mittwoch in den Briefkasten. Bereits am Dienstag schrieb ich an das Arbeitsamt als erste Anlaufstelle eine Mail und schilderte kurz die Situation, aber da fühlte man sich unzuständig; die Antwort kam immerhin nach einer guten Stunde. Ich solle mich an die ARGE Düsseldorf wenden. Also schrieb ich direkt danach eine Mail an die ARGE, aber dort hielt man es bislang nicht für nötig, überhaupt zu antworten. Hingehen konnte ich aufgrund meiner starken Erkältung erstmal nicht, das ist morgen dran.
Wenn ich das am Montag früh schon gewußt hätte, daß ich Nachmittags so einen Hammer im Briefkasten habe, hätte ich mir von dem Arzt, bei dem ich wegen der Erkältung war und die er als Luftröhrenentzündung diagnostiziert hatte, wenigstens noch eine AU geben lassen. Aber so hatte ich nicht einmal das.
Ich weiß nicht, ob ich im November noch Miete, Strom, Gas und Telefon/Internet bezahlen kann. Die Vermieter sind ja möglicherweise noch ein wenig geduldig, während die Stadtwerke Düsseldorf und die Telekom schnell zum Abklemmen tendieren. Mit der Naturstrom AG habe ich diesbezüglich noch keine Erfahrungen.
Das war alles schon einmal da ... 2002, als die Depressionen sich erstmals bemerkbar machten und die Vorläufer-Behörde der ARGE meine Anträge monatelang verschleppte und sogar eine komplette Akte verschlampte. Ich war erst vier Monate lang ohne Strom gewesen und verlor die Wohnung dann ganz. Bei dem Gedanken daran, daß es jetzt wieder so werden könnte und die ARGE keine Rücksicht auf meine Situation nimmt, wird mir übel, und ich bin einer Panik nahe. Diesesmal hängt dann auch gleich die Heizung mit dran; in der vorherigen Wohnung war eine Fernheizung.
Danke, Gesetzgeber der letzten 10 Jahre. Danke, Gerhard Schröder. Danke SPD, Grüne und CDU/CSU. Da schwafeln die Herrschaften von Sicherheit und meinen nicht vorhandene Terroranschläge. Die soziale Sicherheit, die Sicherheit der Existenzgrundlage der Menschen in diesem Land war bzw. ist diesen wirklichen Sozialschmarotzern schei*-egal.
OK, zugunsten der Grünen könnte man im Hinblick auf das Wahlprogramm mittlerweile ein Umdenken vermuten; ob diese auch im Falle einer Regierungsbeteiligung wirksam wäre oder nur in der Opposition gilt, weiß man ja nicht.
Und wenn die FDP sich jetzt noch mit ihrem „Bürgergeld” durchsetzt, was einer 30%igen Reduktion des jetzt schon zu niedrigen Sozialsatzes entspricht, dann können wir wohl direkt sterben gehen. Die „Sozial”-Behörden werden dann zur neuen kleinen Auschwitz-Rampe: Wer nicht zum Arbeiten zu gebrauchen ist, wird weggeworfen. Und wie damals werden auch jetzt die Massenmedien schweigen. Wieviele kranke und Langzeitarbeitslose müssen dann sterben wie der junge, schwer depressive Arbeitslose in Speyer im April 2007, Herr Westerwelle? Sie dürfen die Antwort sogar in deutsch geben.
11. Oktober 2009 at 18:04
http://www.online-polemik.de/speyer-hartz-verhungert.htm
Scheint n ganz netter Kommentar zum Vorfall in Speyer zu sein.
Gut gefällt mir auch der Kommentar: „Ich beziehe selber Hartz IV. Und zum Bewerben fehlt mir das Geld zum Foto machen und Briefmarken kaufen. Sicher heißt es, man kanns zurückbekommen, aber mit welchem Zeitfenster!“
Das ist ne Sache, die ich immer wieder bedenken muss… Da soll man super-hochwertige Bewerbungen wegschicken und dann gibt es vom Staat nur Rückerstattungen, keine Vorausleistungen…
11. Oktober 2009 at 18:15
Das ist by the way mal der total falsche Ansatz, Depressive wieder in Arbeit zwingen zu wollen, indem man ihnen die Leistungen streicht. Stattdessen muss man doch für Sicherheit sorgen, damit die Depressionen sich lösen können und dann kann man wieder nach Arbeit schauen. Aber sorum, wie der Staat das hier machen will, funktioniert es nicht…
13. Oktober 2009 at 16:05
Ich kannte es zuletzt so, daß ich Bewerbungen beim Amt direkt abgeben konnte, und die gaben es „neutral frankiert“ zur Post. Damit sparte ich aber nur das Porto, nicht die teure Kunststoff-Mappe und das Foto. Das Foto allerdings druckte ich in den meisten Fällen in s/w auf, und nur da, wo ich mir deutlich mehr versprach als vom Durchschnitt, gab ich ein richtiges Foto bei. Das hat sich dann wohl mittlerweile geändert.
Gelesen habe ich schonmal, daß die Arbeitsämter deutlich mehr Bewerbungen verlangen, als sie bezuschussen.
Zu Deinem zweiten Kommentar: Ich weiß das. Sag’s den richtigen. 😉