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Zivildienst und Pflege

3. November 2009 um 16:34 Uhr von Atari-Frosch

Die Tagesschau berichtet heute, daß die Sozialverbände aufheulen, weil Wehr- und damit auch Zivildienst verkürzt werden sollen (Zivildienst vor dem Aus?). Warum sagen die Verbände eigentlich nicht klipp und klar, daß sie eigentlich Geld für hauptamtliche, tarifvertraglich bezahlte und sozialversicherte Mitarbeiter brauchen? Trauen sie sich das nicht?

Mehr noch: Müßte es nicht auf Dauer sogar effektiver sein, einmalig feste Angestellte aus- und weiterzubilden, statt immer wieder Zivildienstleistende einarbeiten oder durch immer wieder dieselben Lehrgänge schicken zu müssen? Und wäre es beispielsweise für Demenzkranke nicht noch besser, nicht alle sechs Monate (oder noch weniger) neue Bezugspersonen zu bekommen, sondern dauerhafte, hauptberufliche Bezugspersonen? Natürlich gibt es auch Zivildienststellen, bei denen keine dreimonatige Ausbildungszeit nötig ist, zum Beispiel beim „Essen auf Rädern”, aber auch da müssen die Zivis immer wieder eingearbeitet werden, müssen die Strecken und den Umgang mit den Kunden lernen usw.

Eigentlich ist es gesetzeswidrig, Zivildienstleistende so einzusetzen, daß sie tariflich bezahlte Mitarbeiter ersetzen (bei den Ein-Euro-Jobbern ist es übrigens offiziell genauso). Daß es auch anders geht, zeigt ein Referat aus dem Jahr 1998 von Dipl.-Psych. Alfred L. Lorenz: Raus aus der Zivildienstfalle.

Das heißt: Wenn die Sozialverbände bzw. die darin zusammengeschlossenen sozialen Einrichtungen, Altenheime, Krankenhäuser etc. es wirklich wollen, dann können sie auf Zivildienstleistende überwiegend oder vollständig verzichten — und das vermutlich überwiegend zum Wohle ihrer Schützlinge und Patienten. So, wie die Sozialverbände jetzt aufjaulen, wollen sie das aber offenbar gar nicht. Darüber sollten die Verbände vielleicht einmal nachdenken.


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3 Kommentare zu “Zivildienst und Pflege”

  1. Dunkelangst quakte:

    Zunächst zu meiner Person:
    Auf Grund der Tatsache, dass ich ausgemustert worden bin, weder den Wehr- noch den Zivildienst ableisten.

    Ich finde, dass der Wehrdienst ein Herausschmeißen von Steuergeldern ist. Eine reine, professionelle Berufsarmee wäre in meinen Augen wesentlich effizienter und auch Sparsamer. Der kalte Krieg, in dem ein allgemeiner Wehrdienst noch Sinn gemacht hat, ist nun wirklich schon seit 20 Jahren vorbei…

    Zum Thema das Zivildienstes:
    Die Geburtenraten fallen immer weiter und die alten Leute werden immer mehr. Alte Leute brauchen nun einmal auch Pflege und wenn die junge Generation personell immer weniger vertreten ist, bleibt die Frage, wer denn nun die alten Leute pflegen soll und wie professionell Angestellte überhaupt finanziert werden sollen.

    Auf Grund der Tatsache, dass Männer nun einmal keine Kinder kriegen können und somit um die Schwangerschaft im Beruf Vorteile genießen (und leider auch häufig auf Grund dieser Tatsache mehr Geld bekommen) finde ich es nur Gerecht, wenn alle männlichen Bürger Allgemein ein soziales Jahr absolvieren müssen. Dies muss ja nun auch nicht nur im Altenheim sein – da gibt es viele Möglichkeiten.

    Und selbst wenn all diese jungen Männer ein Jahr sozial arbeiten würden, gibt es in meinen Augen immer noch genügend Bedarf für professionell angestellte Pfleger, auf die mitnichten Verzichtet werden kann. Es geht schließlich nicht nur darum, wie viele Personen gebraucht werden, um behinderten oder alten Menschen zu pflegen sondern auch um die Erhaltung der menschlichen Lebensqualität der alten Menschen. Es wäre auch geholfen, wenn ein Zivildienstleistender mit alten Damen eine Runde Dame oder Mensch Ärger Dich nicht spielen würde – auch dem in der Presse immer wieder heraufbeschworene Generationenkonflikt wäre dadurch entgegengewirkt, wenn die Jungen Menschen auf die Alten/Behinderten/Obdachlosen Menschen zu gehen müssten. Hierdurch würde nicht zu Letzt auch mehr Nächstenliebe vermittelt werden…

    Wunschträume darf auch ich noch haben… 😉


  2. frosch quakte:

    @dunkelangst: Eine allgemeine Dienstpflicht im sozialen Bereich halte ich weder für machbar noch für nötig. Nicht jedem ist es gegeben, mit alten und vielleicht dementen Menschen umgehen zu können, oder auch mit Kindern. Es wäre zum Nachteil der Betreuten, dort Dienstverpflichtete einzusetzen, die dafür überhaupt keinen Draht haben.

    Eine Kommentatorin der Tagesschau weist in Mehr Festangestellte statt Zivis! richtigerweise darauf hin, daß es bereits das freiwillige soziale Jahr gibt. Neu war mir daran, daß neben den bisher schon 35.000 Freiwilligen noch einmal so viele gern das soziale Jahr mitmachen würden, wenn man sie nur ließe. Wenn man diese Information mit dem 11 Jahre alten Referat, das ich im Artikel verlinkt habe, kombiniert, müßte das doch eigentlich passen.


  3. Dunkelangst quakte:

    Aber müssen Zivis wirklich Dienste übernehmen, die eine zum Teil dreimonatige Einweisung voraussetzen – wie zum Beispiel bei den Rettungssanitätern? Nein, offiziell sollen sie nur zusätzliche Aufgaben übernehmen, für die es keiner langen Ausbildungszeit bedarf. De facto haben die Sozialverbände und das gesamte Sozialsystem jedoch jahrzehntelang finanziell von der Möglichkeit profitiert, jährlich knapp 80.000 junge Männer dort einzusetzen, wo eigentlich Festangestellte nötig wären.(…)Das Ende des Sozialsystems aber dürfte damit noch lange nicht gekommen sein. Schließlich gibt es schon jetzt jährlich rund 35.000 Menschen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr absolvieren. Noch einmal so viele Frauen und Männer würden gern ihre Zeit mit Alten, Behinderten und Kranken teilen, sich für Kinder oder den Umweltschutz einsetzen, wenn man sie nur ließe. Doch sie kommen nicht zum Zuge, solange nicht mehr Plätze zur Verfügung stehen.

    Wow, dein verlinkter Kommentar von tagesschau.de hat mich überzeugt… 😯

    Nach dem Studium möchte ich mich auch regelmäßig gemeinnützig im sozialen Bereich betätigen. Mal schauen, ob ich überhaupt eine Chance dazu haben werde…:roll:


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