Schwarzer Freitag
27. November 2009 um 20:34 Uhr von Atari-Frosch
Heute reden alle von einem „schwarzen Freitag”. Aber wir müssen gar nicht ins Ausland schauen, um festzustellen, daß dieser Freitag in mehrfacher Hinsicht schwarz ist:
Nachdem Arbeitsminister Jung (CDU), wenn auch verspätet, wegen zurückgehaltener Informationen zum Beschuß von geklauten Tanklastern in Afghanistan nun doch endlich zurückgetreten ist, was an sich positiv zu sehen ist, wechselt Zensursula nun auf das Arbeitsministerium. Statt dokumentierten Kindesmißbrauchs darf sie also ab heute Arbeitslosenzahlen verstecken. Das Ressort ist generell noch viel besser dazu geeignet, Dinge zu verschleiern und die Bürger zu belügen, also muß sie damit ja wohl ihren Traumjob gefunden haben. Nachfolgerin von Zensursula wird Kristina Köhler, die genauso wie Zensursula begeisterte Anhängerin der Netzzensur ist.
Den europäischen Part des schwarzen Freitags betrifft SWIFT. Die EU knickte einfach mal so vor den Amerikanern ein und meint, sie müßte unbedingt unsere Konten- und Überweisungsdaten an die USA weitergeben. Die hatten diese Daten ja vorher schon illegal abgegriffen, als die SWIFT-Server noch direkt vor ihrer Haustüre standen, und nun meinen sie, sie müßten sie auch weiterhin abgreifen können, auch wenn die Server mittlerweile in die Schweiz umgezogen sind — ursprünglich übrigens genau deswegen, damit die USA eben nicht mehr einfach zugreift. Die Begründung ist ja echt der Hammer: Man habe ja soooo unter Druck gestanden! Ja womit haben die Amerikaner denn eigentlich gedroht? Wollten sie Europäern die Einreise in die USA verbieten? Oder gar eine Atombombe auf Berlin werfen? Nein, die Begründung
Wenn Washingtons Sicherheitsdiensten der bislang gewährte Zugriff auf die Konten und Finanztransaktionen europäischer Bürger verwehrt werde, fehle ein wichtiges Element im Kampf gegen den Terror. Das Sicherheitsniveau werde sinken, die Gefahr neuerlicher Attentate steigen - auch in Europa. Wer wolle dafür die Verantwortung übernehmen?
genügte, und den europäischen Verhandlern fielen die Eier aus der Hose und sie verkauften mal eben unsere letzten Reste des Bankgeheimnisses — für Terror-Hysterie!
Das Geschwafel von Kulturstaatsminister Neumann (CDU) über das Urheberrecht geht dabei fast unter. Der meint nämlich mal wieder, es gebe kein Recht auf Privatkopien. Ja nee is klar.
insideX (Thorsten Wirth) hat mit seinem Tweet völlig recht: Heute ist ein Tag zum Steine anzünden und Autos werfen.
[Update 22:54 Uhr] Ach ja, da war ja noch was: Die Geschichte mit dem abgeschossenen ZDF-Chefredakteur Brender. Den hätte ich ja beinahe vergessen. Einen passenden Kommentar dazu gibt's bei Spiegel Online: Deutschland ist jetzt Berlusconi-Land. Auf Twitter hieß es heute, man könne wohl zukünftig die GEZ-Gebühren als Parteispenden absetzen. 'nuff said. [/Update]
[Update 23:03 Uhr] Ein' hab ich noch, ein' hab ich noch: Den mehrteiligen Kommentar von @veloc1ty auf Twitter zum Wechsel von Zensursula ins Arbeitsministerium. Der muß jetzt noch sein:
Wir wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent die ganz normalen User der Arbeitsagentur sind. / Und jeder, der jetzt zuhört, kann eigentlich sich selber fragen, wen kenne ich, der Arbeitslosigkeit aktiv umgehen kann. / Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Arbeitslos. / Die bewegen sich in ganz anderen Foren. Die sind versierte Arbeitslose, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre... / ...in diesem widerwärtigen Geschäft mit den Formularen und Jobberatern!
OK, ich würd eher sagen, „wen kenne ich, der die Arbeit aktiv umgehen kann” (denn das sind ja die pöhsen Sozialschmarotzer). Aber sonst: Erstklassiger Kommentar. 😉 [/Update]
27. November 2009 at 20:50
Eine Spinne hat sich ein Netz gebaut. Warten wir nun nur noch auf das Gift das Sie versprühen wird.
Ein orangenes Uhrwerk kommt mir da auch noch im Sinne.
27. November 2009 at 21:38
Es sind Tage wie heute, in denen ich deinen Blog und die Nachrichten nicht lesen sollte. Twitter und identi.ca sollte ich ebenfalls nicht anrühren.
Davon bekomme ich heute echte Depressionen… 🙁
28. November 2009 at 13:27
Hallo Frosch,
rein formal hat Neumann recht: Es gibt kein Recht auf Privatkopie, also kein Recht, das man vor Gericht einklagen könnte. Du darfst welche machen, aber wenn das z.B. durch einen Kopierschutz verhindert wird, hast du Pech gehabt.
Klar dürfte sein, wohin er gehen will: Abschaffung der legalen Privatkopie an sich.
Gruß,
Kristine
28. November 2009 at 15:28
@Kristine: Entweder etwas ist legal, dann darf ich und kann das auch gerichtlich verteidigen, oder ich darf nicht (wie Neumann meint). Damit hat Neumann also eben nicht „formal recht”, sondern plappert nur nach, was ihm die Musikindustrie vorbetet.
Auch der Kopierschutz ist ja nur vorgeschoben, wobei so einige Künstler und Labels wohl mittlerweile eingesehen haben, daß sie sich damit ins Knie schießen. Denn entweder der Kopierschutz funktioniert nicht wirklich, oder er funktioniert so gut, daß sich das Medium fast gar nicht mehr abspielen läßt.
Zur ersten Variante hatte ich vor einigen Jahren mal was: Mail an die offizielle Fan-Mailingliste von Chris de Burgh. Die Zweitauflage des Albums „The Road To Freedom”, das ich damals gerippt hatte (war tatsächlich mein erster Rip ever) kam dann schon wieder ohne einen „Kopierschutz” daher, und seitdem sind Chris‘ Alben auch nicht mehr als kopiergeschützt markiert. Inwieweit ich dazu beigetragen habe, weiß ich nicht, ich denke mal, da haben noch mehr gemerkt, daß das nix war.
Die andere Variante, nämlich daß praktisch gar nichts geht, hatte ich aber auch schon. Als ich letztes Jahr eine Ladung CDs (Bereich Clubsounds) bei eBay eingekippt habe, erleichterte ich mir die Arbeit dadurch, daß ich mir die Titellisten aus der freedb zog. Dazu legte ich die CD ins Laufwerk und ließ grip die Titelliste abfragen, um sie dann ins Verkaufsformular copy-pasten zu können. Mit einigen CDs ging das nicht: Sie wurden schon gar nicht als CDs erkannt (sogenannte Un-CDs). Die CDs können also am PC und vermutlich auch in einem CD-Player im PKW nicht abgespielt werden. Da frag ich mich: Was soll das? Das Recht auf die Privatkopie wird hier umgangen durch das lobbyistisch erzwungene Verbot, „wirksame” Kopierschutzmaßnahmen zu brechen. Damit ist das Recht auf die Privatkopie aber noch nicht abgeschafft, und das stinkt wohl gewissen Konzernen.
Ich halte es so, daß ich jede gekaufte CD sofort rippe und dann in den Schrank packe. Die Original-CD dient hier als Backup, und die MP3-Datei als „Arbeitskopie”. In diesem Bereich hatte ich bisher zum Glück keine CD dabei, die sich nicht lesen lassen wollte. — Bei Vinyl ist der Aufwand größer, aber auch meine Schallplatten schicke ich so nach und nach durch audacity und habe sie dann als Datei zur Verfügung, während ich die teils bis 50 Jahre alten Originale (Erbstücke) schone. Von meiner Musik-Partition halte ich eine 1:1-Kopie auf einer zweiten Festplatte, und wenn ich Lust dazu habe, spiele ich mir eine Auswahl auf meinen MP3-Player. Und das Recht, all dieses zu tun, werde ich natürlich auch gerichtlich verteidigen, wenn mir einer deswegen ans Bein pinkeln sollte.
28. November 2009 at 16:12
Hallo Frosch,
„Entweder etwas ist legal, dann darf ich und kann das auch gerichtlich verteidigen, oder ich darf nicht (wie Neumann meint).“
Natürlich ist die Privatkopie legal (na ja, so natürlich nicht, wenn man sich anschaut, worauf Neumann und Co rauswollen), und sollte dir deshalb jemand ans Bein pinkeln, kannst du dich vor Gericht darauf berufen, daß du eine Privatkopie machen darfst.
Bloß das umgekehrte gilt nicht: Wenn du eine CD kaufst und die hat einen Kopierschutz, der das Kopieren (aber nicht das Abspielen) verhindert, dann ist das für den Hersteller auch legal. Sprich, er verstößt nicht gegen das Recht auf Privatkopie, weil ein solches Recht nicht existiert.
So zumindest verstehe ich §53 UrhG, aber IANAL.
(Hinkende) Analogie: Wenn an der Käsetheke im Supermarkt kostenlose Probierhäppchen ausliegen, darfst du die natürlich legal nehmen und essen. Aber du hast kein Recht darauf, daß die immer ausliegen.
Es wäre schön, wenn es ein Recht auf Privatkopie gäbe. Schon weil dann das Umgehen eines Kopierschutzes nicht strafbar sein könnte.
Gruß,
Kristine