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Datenschutz wie bisher

25. Juni 2010 um 13:12 Uhr von Atari-Frosch

Das Arbeitsamt hat sich was neues ausgedacht. Um Akten in Zukunft digital führen zu können, hat sie die Deutsche Post AG damit beauftragt, sämtliche eingehende Post erstmal in einem „Scan-Zentrum” digitalisieren zu lassen. Erst dann soll sie an das jeweils zuständige Arbeitsamt gehen. Abgesehen davon, daß völlig unklar bleibt, was mit den papiernen Originalen passieren soll: Wo bleibt eigentlich der Datenschutz?

Dazu sagt die Bundesagentur für Arbeit laut Sozialticker:

„Die Kundendaten befinden sich zu jeder Zeit in einem datengeschützten Kreislauf. Die persönlichen Daten der Arbeitslosen und Kindergeldempfänger sind mit der eAkte so sicher wie bisher.”

Die Ansage „... so sicher wie bisher” ist allerdings keineswegs geeignet, mich irgendwie zu beruhigen. Denn wie ist „wie bisher”?

  • In den ARGEn und faschistischen Repressionsämtern AKA „Sozialämtern” in Düsseldorf (und ich vermute, nicht nur hier) werden Gespräche mit Hilfsbedürftigen (zynisch „Kunden” genannt) regulär bei offener Tür zum Nebenraum geführt — natürlich nur zum Schutz der Angestellten, falls ein gedemütigter „Kunde” mal ausflippen sollte. Man hört dann also die Namen, Daten, konkreten Situationen und Probleme der Menschen im Nachbarzimmer mit. Und manchmal hört man sie verzweifelt weinen. Datenschutz wie bisher?
  • Zumindest das faschistische Repressionsamt Düsseldorf schickt, um sowas wie Modernität zu simulieren, gelegentlich gern schon mal Bescheide vorab per E-Mail — als Word-Doc und ohne Verschlüsselung. Datenschutz wie bisher?
  • Kontoauszüge werden ohne Ankündigung auch einfach mal von den Banken geholt und auch gern an andere Behörden weitergeleitet. Außerdem werden sie bei jeder Gelegenheit direkt bei den Hilfsbedürftigen angefordert, egal ob sie zur Beurteilung nötig sind oder nicht, und über beliebig lange Zeiträume. Sie werden auch bei den Akten behalten bzw. fotokopiert, obwohl das untersagt ist (Einsichtnahme genügt nämlich). Datenschutz wie bisher?

Nein, diesen Datenschutz glaube ich keiner Sozialbehörde mehr. Genauso wie alle anderen Grundrechte geht ihnen der Datenschutz nämlich am Allerwertesten vorbei.

Dazu kommt, daß der privaten Firma Deutsche Post AG der Datenschutz auch nicht sonderlich wichtig ist, gerade auf Hilfsbedürftige bezogen (Deutsche Post führte Krankenakten). Natürlich sind das immer nur „Einzelfälle”, zurückzuführen auf „Fehlverhalten Einzelner”.

Wieviele solcher Einzelfälle muß es geben, bis man lernt, daß Daten nur sicher sind, wenn sie nicht gesammelt werden? Oh, und sage mir keiner, die könnten nicht gespeichert werden. Einen normalen Flachbett-Scanner mit einem Massenspeicher zu verbinden, ist ja nun wirklich kein Kunststück. Und wie war das bei den „Nackt-Scannern” an den Flughäfen? Da haben sie das zuerst auch behauptet, und dann stellte sich heraus: Die Geräte können sehr wohl ihre Scans speichern und sogar verschicken (Airport Scanners Can Store, Transmit Images).

Wir können dann also bald auf die ersten „Datenskandale” aus den Scan-Zentren der Deutschen Post AG warten. Ich vermute mal, daß die es dann nicht mal in die klassischen Medien schaffen, schließlich geht es ja nur um „Sozialschmarotzer” ...

[Update 2010-06-26 11:00] Telepolis weiß zusätzlich zu berichten, daß das Einscannen durch Geringverdiener durchgeführt werden soll.

Das Pilotprojekt in den beiden Bundesländern ist datenschutzrechtlich unter anderem deshalb problematisch, weil das Scannen der Dokumente nicht von Beamten, sondern von Geringverdienern erledigt werden sollen.

Ich will ja keinem was unterstellen, aber hätten nicht gerade Geringverdiener ein besonderes Interesse, sich durch den Verkauf von Daten ein ergänzendes Einkommen zu beschaffen? [/Update]

[Update 2010-06-27 17:18] In der Tagesschau wird der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zitiert:

Grundsätzlich ist es laut Schaar aber "in Ordnung", wenn Briefe von Arbeitslosen durch die Post geöffnet und eingescannt würden. Wer das nicht wolle, solle seine Briefe statt an das Postfach direkt an die Hausadresse der Bundesagentur schicken, riet Schaar.

Entschuldigung, Herr Schaar, Sie haben gerade den Boden des Grundgesetzes verlassen und damit Ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Überlassen Sie das Amt bitte in Zukunft jemandem, der das mit dem Postgeheimnis verstanden hat. Dazu kommt: Was hilft die Einlieferung an die Hausadresse, wenn eben nicht nur die Post, sondern die gesamten Akten durch eine Deutsche-Post-Tochter digitalisiert werden?

Richtig ist, dass die Arbeitsagentur nicht nur Briefe von Arbeitslosen- und Kindergeldempfängern einscannen will. Sie will nach eigenen Angaben ihr komplettes Archiv digitalisieren - alle 22 Millionen Arbeitslosen- und 13 Millionen Kindergeldakten.

Quelle: Spiegel Online: Post will Millionen Arbeitslosen-Akten einscannen

Da sind dann natürlich auch die Schreiben dabei, die an die Hausadresse gehen. Guten Morgen, erst denken, dann reden. [/Update]


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4 Kommentare zu “Datenschutz wie bisher”

  1. vera quakte:

    YESSS.

    Frank hat noch einen und ich auch. Tolle Wurst.


  2. Konni quakte:

    Mit der Hand schreiben wäre eine Alternative.

    Oder die Buchstaben aus Zeitungen ausschneiden und den Brief so zusammenkleben…


  3. vera quakte:

    Kennen wir einen Sozialrechtler? Vorsorglich Widerspruch erheben?


  4. frosch quakte:

    @Konni: Scannen muß nicht heißen OCR. Man kann’s auch als JPG oder PDF abspeichern — was die Manipulationsmöglichkeiten zwar etwas erschwert, aber nicht unmöglich macht. Insofern: Nützt eher nix, ärgert die vermutlich nicht mal.

    @Vera: Ich würd es eher bei einem Verwaltungsrechtler versuchen. Denn mit dem Sozialrecht an sich hat das ja erstmal nix zu tun; es geht um einen Verwaltungsvorgang, der halt (nicht so ganz) zufällig jetzt erstmal Hartzer und Kindergeldbezieher (be)trifft. Mit einer Erweiterung auf andere Verwaltungsbereiche dürfte auf Dauer zu rechnen sein: Gerichte, Finanzämter, …


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