Die große Hartz-Verarsche
9. Februar 2011 um 15:02 Uhr von Atari-Frosch
CDU/CSU, FDP und SPD zeigen gerade, wie man Politikverdrossenheit macht. Vor genau einem Jahr bestimmte das Bundesverfassungsgericht, daß die Regelsätze für Hartz IV verfassungsgemäß neu berechnet werden müssen. Heute stellen wir fest: Was verfassungsgemäß ist, ist nur noch billige Verhandlungsmasse unter Regierung und Opposition. Statt sich um die Menschen und ihre Grundrechte zu kümmern, wird um ein paar Euro pro Nase und Monat geschachert. Das ist einfach nur noch wi-der-lich.
In der Zeit steht zu lesen:
Die SPD fordert nun, dass der ärmste Teil der Aufstocker aus der Berechnungsgrundlage herausgerechnet wird. Dann würde der Hartz-Satz um elf statt um fünf Euro steigen – das würde Mehrkosten von 400 Millionen Euro verursachen.
Allerdings ergänzt das ein Artikel in Telepolis (Hartz IV-Verhandlungen sind endgültig gescheitert):
Doch auch die Sozialdemokraten sorgen sich offenbar um den zu hohen Anstieg der Regelsätze durch diesen Vorschlag, weshalb sie den im Regelsatz enthaltenen Posten für Mobilität um 16 Euro kürzen möchten.
Das ist Verarsche gleich in mehrfacher Hinsicht: Die Berechnung hat nichts mit den Bedürfnissen der Menschen nach Existenzsicherung, gesunder Ernährung, Bildung oder Teilhabe an der Gesellschaft zu tun. Es geht ausschließlich darum:
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verkündete, die Schwerpunkte müssten auf die Armutsbekämpfung durch Arbeit gelegt werden.
(Quelle. Telepolis-Artikel). Das heißt übersetzt: Wir dürfen den Menschen keine Grundrechte zubilligen, die haben schließlich für den Arbeitsmarkt dazusein, und zwar unter allen Umständen. Sie werden sich nicht für jeden Billig-Job hergeben, wenn wir sie nicht dazu zwingen.
Zensursula formuliert damit — wieder einmal — eine Arbeitspflicht ins Grundgesetz als Bedingung dafür, vielleicht eventuell irgendwann einmal menschenwürdig leben zu dürfen. Dabei ignoriert sie gekonnt, daß „Arbeit” heute — wie von ihrer und den vorherigen Regierungen ja durchaus gewollt — nicht automatisch ein Einkommen bedeutet, von dem ein Mensch dann auch leben und vielleicht sogar eine Familie versorgen kann.
Die 400 Millionen Euro zusätzlicher Kosten, um die die SPD sich solche Sorgen macht, haben die Grundrechts-Ignoranten übrigens gerade 250mal der Atomwirtschaft in den Arsch geschoben (Laufzeitverlängerung), und sie schieben sie jedes Jahr 250mal in den Arsch von Steuerhinterziehern, weil sie dem Fiskus keine Mittel an die Hand geben, diese zu verfolgen.
Was der Bedarf von Menschen kostet, das sieht man an den Preisen der Waren, die sie für seine Deckung benötigen, und nicht daran, womit die Ärmsten gerade noch irgendwie klarkommen! Ach übrigens, die Strompreise steigen gerade, die Lebensmittelpreise auch, und da war da noch die Entsorgung von Hartzern via Energiekonzept von Frau Merkel, und so weiter, und so weiter. Muß man in den Verhandlungen natürlich alles nicht berücksichtigen, ach nein, das könnte ja Geld kosten.
Völlig unter den Tisch fallen übrigens in der gesamten Berichterstattung alle anderen neuen Schikanen der Bundesregierung für uns Hartzer, wie beispielsweise, daß die Miethöhe nach Lust & Laune pauschalisiert werden kann, oder daß Sanktionen ohne Rechtsfolgenbelehrung möglich werden, und was da noch so an Gemeinheiten klammheimlich mit durchgebracht werden soll.
Was weiterhin völlig unter den Tisch fällt, auch in der medialen Berichterstattung, ist, daß der Sozialhilfebetrag eben nicht nur für Langzeitarbeitslose, sondern auch für Menschen gilt, die gar nicht arbeiten können. Die also nur die Wahl haben zwischen den Schikanen der faschistischen Repressionsämter und dem Verrecken unter der Brücke. Aber wie ich schon dutzende Male festgestellt habe: Wer auf dem Arbeitsmarkt so rein gar nicht zu gebrauchen ist, der soll doch bitte gleich sterben gehen, diese teuren Kostenfaktoren stören doch nur, die müssen irgendwie weg. Also am besten einfach ignorieren, isolieren und aushungern. So kann man doch schließlich auch ganz ohne Gaskammern ganze Gruppen unerwünschter Menschen loswerden, gelle? Dauert halt dummerweise nur länger, bis die dann alle weg sind.
Den Verhandlungsparteien könnte ich jetzt glatt auf den Tisch kotzen, wenn das nicht so eine Verschwendung der billigen Lebensmittel wäre. Eine davon nennt sich übrigens „sozial”, und eine andere „christlich” ...
12. Februar 2011 at 18:28
Man müßte halt ehrlich sein:
Anstatt das materielle Existenzminumum eines Menschen noch
weiter kleinzurechnen, wären andere Maßnahmen sinnvoll.
Aber so, wie die Dinge liegen, möchte man mit aller Gewalt
verhindern, daß eine „Hartz-Familie“ mehr einnimmt als eine
„Normalverdienende“ – was leicht passieren kann, wenn man
die Kosten für Unterkunft, Krankenversicherung und Verwal-
tung mitrechnet. Und man will dem Umstand Rechnung tra-
gen, daß viele Hartzer zwischen 300,– und 3.000,– im Monat
schwarz dazuverdienen. Das schlägt man stillschweigend
„irgendwie“ um – mit dem Ergebnis, daß die Ärmsten der
Armen noch elender dran sind.