Daniel Ellsberg über Obama
15. März 2011 um 0:02 Uhr von Atari-Frosch
... und dessen Ansicht darüber, daß die Behandlung von Bradley Manning angemessen sei
Übersetzung des Artikels Ellsberg on Obama’s View that Manning’s Treatment is „Appropriate” von Daniel Ellsbergs Blog
[Diese Mitteilung von Daniel Ellsberg wurde im britischen Guardian publiziert, zwei Tage bevor P. J. Crowley gefeuert wurde.]
Präsident Obama erzählt uns, daß er im Pentagon nachgefragt hat, ob die Bedingungen der Gefangenschaft von Bradley Manning, dem Soldaten, dem vorgeworfen wird, Staatsgeheimnisse weitergegeben zu haben, „angemessen sind und unseren grundsätzlichen Standards entsprechen. Sie haben mir versichert, daß dem so sei.”
Wenn Obama das glaubt, dann würde er wohl alles glauben. Ich will doch hoffen, daß er es besser weiß, als ausgerechnet die Täter zu fragen, ob sie sich angemessen verhalten haben. Ich höre gerade wieder Präsident Nixon auf einer Pressekonferenz dasselbe sagen: „Es wurde mir von den Klempnern [„plumbers” im Original; könnte aber auch ein Slang-Ausdruck mit anderer Bedeutung sein, Frosch] des Weißen Hauses versichert, daß ihr Einbruch in das Büro von Daniel Ellsbergs Arzt in Los Angeles angemessen war und grundsätzliche Standards erfüllt hat.”
Als dieses kriminelle Verhalten, das aus dem Oval Office befohlen worden war, herauskam, sah sich Nixon einer Anklage wegen Amtsmißbrauchs gegenüber und mußte zurücktreten. Nunja, die Zeiten haben sich geändert. Aber wenn Präsident Obama wirklich noch nicht die tatsächlichen Haftbedingungen von Manning kennt — wenn er wirklich glaubt, wie er sagt, daß „manches davon [Nacktheit, Isolation, Schikanen, Schlafentzug] etwas mit dem Wohlbefinden des Gefreiten Manning zu tun hat”, trotz des gegenteiligen Urteils des Gefängnispsychologen — dann wurde er angelogen, und er sollte seine Administration in den Griff bekommen.
Wenn er Bescheid weiß und dem zustimmt, daß das angemessen oder überhaupt legal sei, spricht das nicht für seine Erinnerung an die Kurse, die er zum Thema Verfassungsrecht abgehalten hat.
Der Präsident verweigerte einen Kommentar zu PJ Crowleys Erklärung, daß die Behandlung Mannings „lächerlich, kontraproduktiv und dumm” ist. Diese Worte sind wahr genug, soweit sie gehen können — also vermutlich, soweit es sich ein Ministeriumssprecher erlauben kann, die Handlungen des Verteidigungsministeriums zu mißbilligen. Aber es sind zwei weitere Worte notwendig: mißbräuchlich und illegal.
Crowley antwortete auf eine Frage über die „Folterung” eines amerikanischen Bürgers, und, lobenswerterweise, ohne diese Beschreibung zu entkräften. Fortgesetzte Isolation, Schlafentzug, Nacktheit — das stammt direkt aus dem Handbuch der CIA für „erweiterte Verhörmethoden”. Wir haben gesehen, wie diese Methoden in Guantánamo und Abu Ghraib angewandt wurden. Die CIA nennt so etwas „berührungslose Folter”, und der Zweck dort wie hier ist völlig klar: jemanden derart zu demoralisieren, daß er ein gewünschtes Geständnis ablegt. Darauf sind sie, so vermute ich, bei Manning aus. Es interessiert sie nicht, ob das Geständnis wahr oder falsch ist, solange es WikiLeaks auf eine Weise mit hineinzieht, die ihnen dabei hilft, Julian Assange strafrechtlich zu belangen.
Das ist nur meine Vermutung über ihre Motive. Aber das betrifft nicht die Illegalität der Handlung. Wenn ich recht habe, dann ist davon auszugehen, daß eine solch rauhe Behandlung nicht auf dem Level eines Feldwebels oder des Brigadekommandeurs angeordnet wurde. Die Tatsache, daß sie dem Gefangenen fortgesetzt solche Leiden zufügen, trotz wochenlanger Beschwerden durch seinen Rechtsvertreter, starke öffentliche Aufmerksamkeit und Verurteilungen durch Organisationen wie Amnesty International, läßt mich vermuten, daß der Befehl aus den hohen Ebenen des Verteidigungsministeriums oder des Justizministeriums kam, wenn nicht sogar vom Weißen Haus selbst.
Es ist kein Zufall, daß es ausgerechnet jemand vom Staatsministerium war, der abseits der offiziellen Verlautbarungen darüber sprach. Wenn eine Abteilung der US-Regierung über unsere Forderung, das Gesetz und insbesondere unsere Verpflichtung, keine Folter anzuwenden, zu achten, spottet, dann trägt es die Hauptverantwortung dafür, denn so etwas beeinflußt unsere Stellung in der Welt.
Für die Tatsache, daß die mißbräuchliche Mißhandlung von Manning in Quantico weitergeht — wo ich neun Monate als Marine-Offizier in der Grundausbildung verbrachte —, und daß Marines darüber lügen, schäme ich mich für das Corps. Nur drei Jahre als Infanterie-Offizier waren für mich mehr als genug Zeit, um zu wissen, daß das, was dort geschieht, illegales Verhalten ist, das gestoppt und bestraft werden muß.
[Ende der Übersetzung]
Meine Anfrage in den Kommentaren, ob eine inoffizielle Übersetzung des Textes in die deutsche Sprache publiziert werden dürfe, wartet seit vier Stunden auf Freischaltung und Beantwortung. Ich bin erstmal so frei. Sollte sich herausstellen, daß das nicht erlaubt ist, dann verschwindet dieser Blogartikel halt wieder.