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LVR, Graf-Recke-Stiftung und das Recht

9. April 2011 um 20:37 Uhr von Atari-Frosch

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) ist nach eigener Beschreibung „der Verband der rheinischen Städte, der Kreise und der StädteRegion Aachen im Rheinland“. In seinem Selbstlob behauptet er:

Der Anspruch an die Arbeit aller LVR-Einrichtungen ist hoch: Jede Leistung, hinter der der LVR steckt, hat eine besonders hohe fachliche und zugleich menschliche Qualität. Das wollen wir mit unserem Slogan ausdrücken: Qualität für Menschen.

Der Landschaftsverband ist der „Partner der Bürgerinnen und Bürger“. Wir wollen Ihnen zeigen, dass Politik und Verwaltung diesen Leitsatz ernst nehmen.

Die Graf-Recke-Stiftung wiederum ist eine alteingesessene Stiftung in Düsseldorf und Umgebung, die unter anderem das betreute Wohnen in der eigenen Wohnung anbietet. Sie lobt sich mit:

Selbstverständlich orientiert sich die Betreuung in Art und Umfang an Ihrem individuellen Hilfebedarf, an Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Jeder Mensch hat Fähigkeiten und Stärken; wir helfen, diese zu entdecken und auszubauen.

Soviel zur Theorie. In der Praxis, zumindest wenn es um den Bereich Soziales geht, handelt der LVR genauso wie das faschistische Repressionsamt (AKA „Sozialamt“): Das Sozialrecht und die dazugehörige Rechtsprechung werden nur angewandt, wenn damit Geld gespart werden kann, und ansonsten geflissentlich ignoriert. Die Menschlichkeit steht beim LVR nur auf dem Papier bzw. auf der Website, wo sie nicht weiter stört.

Die Graf-Recke-Stiftung scheint sich dieser Haltung anzuschließen, zumindest verhielt sie sich in dieser Sache entsprechend. Die Bedürfnisse der Klienten sind ihr offensichtlich dann nicht wichtig, wenn man damit gegen den LVR vorgehen müßte und/oder es dabei um Rechte der Klienten geht. Und schon gar nicht, wenn man dafür zusätzliche Arbeit investieren müßte.

Die Vorgeschichte zu diesem Rant hatte ich ja schon ausführlich verbloggt. Der letzte Stand war, daß ab August 2010 dann gar kein Sozialarbeiter mehr kam. Natürlich hatte die Graf-Recke-Stiftung da auch nicht mehr nachgehakt, zumindest wurde ich über solche Versuche nicht unterrichtet.

Ursprünglich wollte ja ich gegen diese Entscheidung des LVR klagen und dafür natürlich auch die Graf-Recke-Stiftung mit ins Boot holen, schließlich wäre eine positive Sozialgerichts-Entscheidung auch im Sinne der Graf-Recke-Stiftung – sollte man meinen. Aber dann fiel mir ausgerechnet die Leiterin des ambulanten betreuten Wohnens der Graf-Recke-Stiftung, die auf der Website genannte Frau Ulla Rubis, in den Rücken. Sie meinte am Telefon, daß sich die Stiftung nicht an einer solchen Klage beteiligen werde. Es war recht klar herauszuhören, daß sie sich für die Rechte ihrer Klienten einfach mal gar nicht interessiert, solange immer nur schön das Geld vom LVR hereinplätschert. Unter diesen Umständen habe ich dann von einer Klage abgesehen: Wer bin ich denn, daß ich einer solchen Einrichtung die Kastanien aus dem Feuer hole, während die Herrschaften die Arme verschränken, sich zurücklehnen und einfach abwarten?

Dazu kommt noch, daß Repressionsamt und LVR (im Gegensatz zum ARGE übrigens) die Kontoauszüge nicht nur einsehen, sondern die Kopien möglicherweise zu den Akten nehmen. Das ist datenschutzrechtlich mindestens bedenklich, wenn man überlegt, wer diese Akten alles in die Finger bekommt (und daß sie ja vielleicht auch mal woanders landen, als sie sollen).

Also habe ich auf den Sozialarbeiter verzichtet, auch wenn ich die Hilfe gerade in den letzten paar Monaten sehr gut hätte gebrauchen können. Ich habe am Jahresanfang eigentlich immer eine akute Phase; wie lange die geht und wie heftig sie ausfällt, hängt davon ab, wie es mir vorher ging und mit welchen Problemen ich gerade konfrontiert werde. In den letzten Jahren war diese Jahresanfangs-Phase immer erträglich gewesen, aber diesesmal fiel sie besonders heftig aus. Genaugenommen ist sie auch immer noch nicht zu Ende. Die ständige aggressive Schnüffelei der Repressionsbehörden auf meinem Konto entgegen höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört allerdings definitiv nicht zu dem Preis, den ich bereit bin, für eine solche Hilfe zu bezahlen.

Für mich war das Thema damit abgeschlossen.

Nicht jedoch für den LVR. Der schickte mir Anfang dieses Monats einen Brief zu dem Thema, der zwar inhaltlich wie ein Bescheid aussieht und auch eine Rechtsbehelfsbelehrung mitbringt, aber nicht als Bescheid gekennzeichnet ist. Nachdem ich bereits im Sommer letzten Jahres eindeutig klargestellt hatte, daß es von mir keine Kontoauszüge geben werde, kommt man also jetzt schon auf die Idee, die Sache mal abzuschließen. Eine echte Meisterleistung in Sachen Geschwindigkeit! Aber auch eine echte Meisterleistung in Sachen Rechtssicherheit; theoretisch, also wenn ich den nötigen Rückhalt gehabt hätte, hätte ich ja vielleicht noch etwas erreichen können, wenn ich gewußt hätte, daß das Verfahren noch offen ist.

In diesem Bescheid teilt mir die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland nochmals mit, daß der ALG-II-Bescheid und der tagesaktuelle Kontoauszug nicht ausreichend seien, um meine „Vermögensverhältnisse abschließend zu überprüfen“. Stattdessen wollte man die Kontoauszüge von drei Monaten sehen, „um zu überprüfen, ob sich Vermögenswerte bzw. Zuflüsse im betreffenden Zeitraum auf Ihrem Konto befanden“.

Wirklich geschickt ist dabei die Umgehung der BVerfG-Rechtsprechung dadurch, daß man das Verfahren erst so weit hinausgezögert hat, daß die Bearbeitung lange nach dem Ablauf des vorherigen Gewährungszeitraumes geschah. Denn obwohl ich den Hilfeplan nach dem Zeitstempel auf meiner Festplatte bereits am 14. Januar 2010 bearbeitet und via Sozialarbeiter an die Graf-Recke-Stiftung weitergeleitet hatte, erklärt der LVR, er habe den Antrag erst am 26. Februar 2010 erhalten. Man könnte glatt auf den Gedanken kommen, daß die beiden Einrichtungen hier Hand in Hand arbeiten, was die Verschleppung von Verfahren angeht.

Der vorherige Gewährungszeitraum lief nämlich bis 28. Februar 2010. Bei einer Einreichung des Folgeantrags Mitte Januar wäre es damit problemlos möglich gewesen, bis Ende Februar zu entscheiden oder eben vorher fehlende Unterlagen anzufordern. Dann hätte das Argument mit dem BVerfG-Urteil gezogen, meiner Meinung nach spätetens vor dem Sozialgericht.

Durch die doppelte Verschleppung durch Graf-Recke-Stiftung und Landschaftsverband liegen die geforderten Kontoauszüge (von April bis Juni 2010) allerdings bereits im Zeitrahmen eines möglichen neuen Bescheides, sodaß ich ggf. nicht mehr behaupten könnte, die Kontoauszüge würden nur die Vermögensverhältnisse der Vergangenheit abbilden.

Das BVerfG hatte ja ausdrücklich betont, daß es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 60 SGB I nur um die aktuellen, aber nicht um die vergangenen Vermögensverhältnisse gehen kann und somit zurückliegende Kontoauszüge nicht von Bedeutung sind, insbesondere, wenn aktuelle Dokumente die Vermögensverhältnisse darlegen.

Der LVR geht auf diese zeitliche Verschiebung gar nicht ein, warum auch – man könnte die Verschleppung ja bemerken. Stattdessen behauptet die Frau Direktorin, die von mir zitierten Urteile seien ja nur Einzelfallentscheidungen, die mit meinem Fall natürlich üüüberhaupt nichts zu tun haben, und daher hier nicht herangezogen werden könnten. Sie beruft sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, AZ: B 12 AS 45/07R vom 19.09.2008), in welchem darauf abgestellt wird, daß ein Hilfesuchender die Kontoauszüge der letzten drei Monate auch dann vorzulegen habe, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt.

Darauf kann man sich natürlich leicht berufen, wenn man mal übersieht, daß das Bundesverfassungsgericht eine höhere Position hat als das Bundessozialgericht und die eigene Verschleppung des Verfahrens die Feststellungen des BVerfG aushebelt.

Lustig ist dann noch der letzte Satz:

Ihr Interesse an der Leistungsgewährung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am sparsamen Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln und daran, dass Steuermittel nur in den Fällen eingesetzt werden, in denen ein Bedarf nachgewiesen ist.

Zu dem vergessenen „nicht“ sag ich mal nix. 😉

Übrigens: Die Direktorin des LVR, Ulrike Lubek, hat keine Ausbildung im Sozialbereich gemacht, sondern ist – Juristin. Das ist doch die perfekte Ausbildung für die Aufgabe, Zwangsverarmte mit Hilfe von Gesetzen und Urteilen abzuwimmeln. (Nichts gegen Juristen im Allgemeinen, aber das fällt dann doch auf.)

Alles in allem gilt mal wieder das übliche Motto dieses angeblichen Sozialstaats: Geld geht vor Menschen.

Anderes vom LVR:

Zur Verpflichtung, die Kontoauszüge von drei oder mehr Monaten vorzulegen (oder eben auch nicht), ein Forumsartikel vom Februar 2006: Zur Vorlage von Kontoauszügen von Martin Behrsing.


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2 Kommentare zu “LVR, Graf-Recke-Stiftung und das Recht”

  1. Heinrich Schröder quakte:

    Nimm den Bescheid hin. Er ist in Ordnung. Ob die Amtschefin nun Juristin ist, wie fast alle in diesem Bereich, hilft auch nur der Polemik.


  2. frosch quakte:

    Klar, Bescheide von „Sozial-”Behörden sind immer in Ordnung. Deshalb kriegen sie ja auch so oft von Sozialgerichten auf die Nuß, wenn die Betroffenen klagen, weil das alles so in Ordnung ist …


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