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Bundesinnenminister ohne Ahnung (BIMoA)

22. Mai 2011 um 18:21 Uhr von Atari-Frosch

... oder, wie @Oreo_Pirat treffend meinte: HONK (Hysteriker ohne Netzkenntnisse). Es genügt wohl mittlerweile, eine hohe Position in der deutschen Politik zu haben, um sich straf- und folgenlos beliebig durch Unkenntnis (oder Dummheit?) blamieren zu dürfen.

Derzeit warnt Bundesinnenminister Friedrich vor virtuellen Bomben, die kriminelle Banden oder Terroristen „bald zur Verfügung haben” könnten. Es geht um „Cyberangriffe” im Internet und er redet von Schäden für die Volkswirtschaft. Und da müsse man doch gesetzliche Grundlagen schaffen.

So kann nur jemand reden, der vom Netz aber mal so wirklich gar keine Ahnung hat.

Was immer er unter „virtuellen Bomben” versteht: Angriffswerkzeuge im Netz sind nichts, was man, wie eine reale Bombe, irgendwo klauen kann bzw. muß, um sie zu besitzen. Oder deren Teile man sich zusammenklauen und -kaufen kann. Es sind Programme oder Scripte, die jeder schreiben kann, der die Netzprotokolle und die üblichen Dienstprogramme im Netz (und deren Schwachstellen) kennt. Das Wissen darum wiederum kann man sich frei im Netz beschaffen (0day-Exploits, die teilweise auch verkauft werden, muß man meistens nicht kennen oder kaufen; es genügt, veraltete und/oder fehlerhafte konfigurierte Installationen bekannter Software zu finden).

Teilweise genügen schon dieselben Werkzeuge, die Systemadministratoren für ihre tägliche Arbeit einsetzen, wenn das anzugreifende System oder Netzwerk nicht ordentlich abgesichert ist; das Thema hatten wir schon bei den Dual-Use-Werkzeugen, als es um den sogenannten Hackerparagrafen ging. Was für Bomben meint er also? Die LOIC?

Das andere ist die Sache mit dem Datenschutz. Nicht daß er sonst für Datenschutz wäre, sonst würde er ja nicht die Vorratsdatenspeicherung fordern, aber er kennt sich nicht einmal damit aus:

Es gehe vor allem darum, das Bewusstsein zu schaffen, wie stark Kriminalität im Netz verbreitet ist. Es sei erstaunlich, mit welcher Leichtfertigkeit gerade junge Leute dort ihre Daten verbreiteten, die dann „schwunghaft in Paketen zu Tausenden und Zehntausenden im kriminellen Untergrund gehandelt werden.“

Ach Herr Friedrich, die Daten, die im „kriminellen Untergrund” gehandelt werden, sind überwiegend nicht die, die Leute (egal ob jung oder nicht) auf Social-Media-Websites hinterlassen. Die hinterlassen da nämlich eher keine Kontonummern und Kreditkarten-Daten. Und Kriminelle sind primär an solchen Daten interessiert, die man direkt zu Geld machen kann. Mailadressen wiederum muß ich nirgends hinterlassen, damit sie bespammt werden, es genügt, einen Mailserver zu betreiben. Insbesondere die Pflicht-Adresse postmaster dieser Domain „erfreut” sich gerade wieder größerer Aufmerksamkeit durch Spammer.

Das, was Leute auf Web-2.0-Plattformen hinterlassen, wird von ganz anderen Organisationen mißbraucht: Von Arbeitgebern, die in der Vergangenheit ihrer Bewerber und vielleicht auch in der Gegenwart ihrer Angestellten herumschnüffeln wollen, zum Beispiel, oder von Stalkern, die eine diebische Freude daran haben, anderen psychisch zuzusetzen, um sich daran zu ergötzen. Das ist aber vermutlich nicht das, was Herr Friedrich meint, wenn er von Kriminellen spricht (auch wenn es mittlerweile den Stalking-Paragrafen gibt).

Im Übrigen freuen sich Ermittlungsbehörden doch eigentlich darüber, können sie auf diese Weise Temposünder entlarven. 🙂

„Die meisten Anti-Terror-Gesetze müssen erhalten bleiben, denn nur weil manche von ihnen in den vergangenen Jahren sehr selten angewandt wurden, heißt das nicht, dass wir sie nicht brauchen“, sagte Friedrich der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Und wofür? Konkrete Beispiele? Fehlanzeige. Wir brauchen sie halt einfach, basta.

Abgesehen davon, daß er die „wachsende Gefahr”, von der man uns nun schon seit Jahren erzählt, immer noch nicht begründen kann. Warum auch. Er weiß es besser als wir alle, denn er ist ja der Innenminister. m(

Was die Volkswirtschaft angeht, na, die Firmen müssen sich schon selbst schützen bzw. entsprechendes Fachwissen einkaufen. Ich wüßte nicht, wie ein Gesetz jemanden daran hindern könnte, eine Infrastruktur anzugreifen. Da helfen wohl eher redundante Systeme, Backups und Firewalls. Außerdem lachen sich ausländische bzw. internationale Angreifer über deutsche Gesetze vermutlich 'nen Ast.

Bei Golem heißt es zudem (Bundesinnenminister Friedrich erwartet virtuelle Bomben):

Friedrich ließ erkennen, dass er die bisherigen staatlichen Überwachungsprogramme und die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdienste für unzureichend hält. Innerhalb der Nato werde an Strategien im Cyberkrieg gearbeitet, wofür die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden müssten, sagte Friedrich.

Aaah, da kommen wir der Sache schon näher. Cyberkrieg möchte man also führen. NATO? Moment. Die NATO hat ja nun gar nichts mit Kriminalität zu tun, da geht es um militärische Fragen. Also Angriff und Verteidigung auf Internet-Ebene? Tja, auch da heißt es wohl, kauft Euch passendes Wissen ein, um Eure Anlagen zu schützen, und klemmt wirklich wichtige Infrastruktur vom Internet ab. Was hat eine Firewall bitte mit Krieg zu tun? Oder geht es doch eher um Angriffe, die man auf eine „gesetzliche Basis” stellen, also schlicht erlauben möchte? Für Firewalls und gezogene Netzwerkstecker braucht man keine Gesetze. Für ansonsten verfassungswidrige Überwachungsmaßnahmen schon.

Achja, und die Bundeswehr im Innern will er so nebenbei auch noch haben. Es ist ja fast schon erstaunlich, daß er nicht nach Panzern und Flugabwehr im Internet ruft. Warum er die Bundeswehr da zu brauchen glaubt, sagt er uns natürlich auch wieder nicht; alles, was ihm einfällt, ist die Behauptung, es gebe „Bedrohungslagen”, in welchen die Polizei nicht ausreiche. Welche? Fehlanzeige.

Das erinnert mich übrigens gerade an einen anderen Innenpolitiker, der diese ach so schlimme Terrorgefahr vor knapp zwei Jahren schon beschwor: Bouffier und der böse Wolf. Muß wohl eine Berufskrankheit von Innenpolitikern sein, überall Terroristen und Bomben und Bedrohungslagen zu sehen — und von Schäuble brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Und als Komorbidität kommt dann völlige Ahnungslosigkeit darüber, wie das Internet funktioniert.

Wie auch schon früher werden Kriminalität, Datenschutz, Terrorismus und militärische Verteidigung in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt, und als Ergebnis kommt dann raus: „Ja sorry Leute, um Eure Sicherheit zu gewährleisten, müssen wir Euch ein paar Grundrechte einschränken, sonst bomben Euch bald die bösen Terroristen weg.” So einfach wollte es der Herr Friedrich aber wohl nicht ausdrücken.


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3 Kommentare zu “Bundesinnenminister ohne Ahnung (BIMoA)”

  1. scanlines quakte:

    Dazu u. U. passend:

    Ahnungslos
    http://twitpic.com/50ihnr


  2. frosch quakte:

    @scanlines Ja, das Bild hatte ich gestern noch via Twitter gesehen, beim Artikelschreiben nochmal gesucht und dann nicht mehr gefunden, danke 🙂

    — und das hier natürlich auch: http://twitpic.com/50i67h


  3. Joe quakte:

    Der Artikel offenbart ja wohl, dass diese scheinbar ahnungslose Schwafelei antrainiert worden ist um damit konspirative Ziele zu erreichen. Von wegen Sicherheit. Es geht um Totalüberwachung.
    Da stellt sich mir die Frage zunehmend,welchen Kräften hinter der Matrix unsere so demokratisch gewâhlten Volksvertrer in Wahrheit dienen. Garantiert nicht dem deutschen Volk und seinem Wohle!!!


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