Datensammler auch im Kleinen
24. Mai 2011 um 13:31 Uhr von Atari-Frosch
Unsere Politiker sammeln gern persönliche Daten über andere. Man weiß ja nie, könnte man doch irgendwann mal gebrauchen! Das gilt aber nicht nur für Vorratsdatenspeicherung & Co., sondern bereits für Anfragen bei Abgeordneten. Beim Michael Frieser zum Beispiel. Der meint, er möchte eine Frage erst beantworten, wenn er die persönlichen Daten der Fragestellerin hat. Diese Taktik wenden auch andere Abgeordnete auf abgeordnetenwatch.de gerne an.
Warum eigentlich? Sind sie der Meinung, daß sie automatisch beleidigt werden, wenn das Gegenüber seine Identität nicht preisgibt? Nein, der Punkt ist ein ganz anderer.
Der Punkt ist, daß diese Abgeordneten entweder gar nicht oder nicht öffentlich antworten wollen, weil man ihre Antworten, oft genug Sammlungen von Textbausteinen, dann ebenso öffentlich analysieren und als Blödsinn enttarnen könnte. Sie wollen ihre Antworten, wenn überhaupt, per Briefpost verschicken, und hoffen darauf, daß es den Bürgern zu umständlich wird, diese Antworten, wenn sie denn überhaupt kommen, abzutippen und doch wieder online zu stellen. Und wenn sie es doch tun, dann wird damit gerechnet, daß das überwiegend auf einer Plattform geschieht, die nicht so eine große Reichweite hat wie Abgeordnetenwatch. Ein kleines Blog, zum Beispiel.
Ein typisches Beispiel für den Verweis auf direkten (Mail-)Kontakt ist ja der Herr Mißfelder, der meint, asozial herumpoltern zu müssen, um sich Bekanntheit zu verschaffen. Der schafft es sogar, seine Standardantwort auf genau auf dieselbe zugeschnittene Nachfragen zu posten. Auch er will Daten über die Leute haben, die kritisch nachfragen — gerne auch mehr als die Mailadresse. Antworten gibt er natürlich trotzdem keine, warum auch? Der Deal, Identität gegen Auskunft, der von solchen Abgeordneten gefordert wird, wird also teilweise hinterher nicht einmal eingehalten!
Zumindest ein Teil dieser Abgeordneten setzt ja möglicherweise auch darauf, daß Leute keine unangenehmen Fragen mehr stellen, wenn sie ihre Identität preisgeben müssen, aus Angst, dann von irgendeiner Richtung sofort oder später Repressionen zu erfahren. Daran, die unangenehmen Fragen öffentlich zu beantworten, sind die Abgeordneten natürlich nicht gehindert, nur weil sie die Identität des Fragenden nicht kennen.
Wer Minister ist und nicht Abgeordneter, hat's noch leichter. Ich suche grade im Blog, hatte ich darüber echt nichts geschrieben? — Na gut. Unsere tolle Bundesarbeits-Zensursula hatte ich mal in Abgeordnetenwatch befragt, wann sie beabsichtigt, die Ungerechtigkeit auszugleichen, daß Grundsicherungsbezieher (auch Erwerbsunfähige) keinen Freibetrag haben und sich sofort 70 % von allen Einnahmen wegnehmen lassen müssen, während ALG-II-Bezieher einen Freibetrag in Höhe von 100 € im Monat haben. Ich hielt das und halte es weiterhin für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Antwort kam — per Telefon. Die Sekretärin unserer tollen Bundesarbeits-Zensursula — ich weiß heute nicht mehr, wo sie meine Nummer herhatte — meinte, die Frau von der Leyen beantworte keine Anfragen auf Abgeordnetenwatch, weil sie ja Ministerin und keine Abgeordnete ist. Das ist doch mal ein echter Grund, ne? m(
Als Antwort auf die Frage hieß es dann übrigens, naja, man wolle halt die arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen damit stärker aktivieren. Warum Erwerbsunfähige dann hintenanstehen sollen, wurde mir natürlich nicht beantwortet. Dafür wußte die (sicher gut bezahlte) Sekretärin, daß der Sozialhilfesatz natürlich nicht zu niedrig, sondern völlig in Ordnung sei. Logisch, weder sie noch ihre tolle Chefin müssen ja je davon leben.
Und auch diese Antwort steht jetzt nur in einem kleinen Blog und nicht auf Abgeordnetenwatch, damit es möglichst wenig lesen, gell, Frau Bundesarbeits-Zensursula? Es könnten ja sonst noch einige Leute auf die Idee kommen, daß Sie da Blödsinn erzählt haben bzw. erzählen ließen.
(Übrigens: Aufgrund der Sprechweise am Telefon bin ich mir bis heute noch nicht sicher, ob das wirklich eine Sekretärin war oder Zensursula selbst, die sich als solche ausgab. Es hätte wirklich gepaßt. Möglicherweise gilt hier aber auch nur: Wie der Herr, so 's G'scherr.)
24. Mai 2011 at 13:43
Daß Politiker sich gegen Transparenz, besonders aber gegen die Abgeordnetenwatch sträuben, ist ein Phänomen, das besonders bei der CDU gehäuft auftritt. Erst kürzlich fiel auch die Hessische CDU durch ihre Ablehnende Haltung gegenüber den Belangen und Fragen der Bürger auf: http://www.cduwatch.de/2011/cdu-hessen-straubt-sich-gegen-transparenz/