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Strafanzeige gegen Sarrazin (5)

4. September 2011 um 22:09 Uhr von Atari-Frosch

Am 1. September bekam ich ein erneutes Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Eigentlich erwarte ich als nächstes eine Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. Dem Schreiben ist weder auf dem Brief noch auf dem Umschlag zu entnehmen, daß es als Verteidigung der Staatsanwältin gegen meine Beschwerde vor dem Generalstaatsanwalt gedacht ist und nur als CC: an mich ging. Aber die Staatsanwältin selbst kann ja wohl kaum über die Beschwerde entscheiden. Da muß ich wohl mal nachfragen.

Eigentlich steht nicht viel Neues drin. Die Staatsanwältin findet die Hetzerei des Thilo Sarrazin weiterhin juristisch völlig in Ordnung und will sie deshalb gar nicht erst einem Gericht vorgelegt sehen.

Ermittlungsverfahren gegen Dr. Thilo Sarrazin wegen Verdachts der Volksverhetzung u.a.

Ihr Schreiben vom 27. Juli 2011

Sehr geehrte Frau Becker,

soweit Sie in Ihrem Beschwerdeschreiben vom 27. Juli 2011 unter anderem die Behauptung des Beschuldigten anführen, Arbeitslose würden sich einfach nur „vermehren”, um staatliche Unterstützung kassieren zu können und nicht arbeiten zu müssen, beziehen Sie sich auf Äußerungen des Beschuldigten, die dieser in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen” getätigt hat, und die von der Bild Zeitung [sic!] im Rahmen eines Vorabdrucks im August 2010 veröffentlicht wurden.

Die vorab veröffentlichten Auszüge des Buchs wurden im vorliegenden Verfahren umfassend auf ihre strafrechtliche Relevanz hin ausgewertet; im Ergebnis ist eine Strafbarkeit des Beschuldigten Dr. Sarrazin jedoch zu verneinen. Zu den Gründen führe ich Folgendes an:

  1. Den verfahrensgegenständlichen Äußerungen des Beschuldigten lässt sich weder ein Aufstacheln zum Hass oder eine Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen im Sinne des § 130 Absatz 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB), noch ein Angriff auf die Menschenwürde anderer durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden im Sinne des § 130 Absatz 1 Nr. 2 StGB entnehmen.

    Zwar sind die Aussagen des Beschuldigten zur Gruppe der muslimischen Migranten sowie zur Gruppe der Hartz-IV-Empfängern [sic!] zu einem großen Teil einseitig und von deutlichen und sehr ablehnenden Vorbehalten gegenüber den Mitgliedern dieser Personengruppen geprägt. Sie lassen jedoch keine Bewertung im Sinne des § 130 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 StGB zu. Ihnen ist weder zu entnehmen, dass der Beschuldigte ein zielgerichtetes Handeln gegen diese Gruppen intendiert, noch handelt es sich um Stimmungsmache, die zugleich den geistigen Nährbodens [sic!] für die Bereitschaft zu Gewaltexzessen gegenüber den betroffenen Bevölkerungsgruppen liefert. Die Aussagen stehen im Zusammenhang mit der politischen Meinungsäußerung. Die Darstellungen des Beschuldigten richten sich gegen das Verhalten der betroffenen Personen in Europa und insbesondere in Deutschland. Der Beschuldigte zeigt die aus seiner Sicht drohenden Folgen einer von ihm verurteilten Einwanderungs- und Sozialpolitik auf, ohne jedoch Muslime oder Hartz-IV-Empfänger generell als „unterwertig” darzustellen und zum Hass gegen diese aufzustacheln.

    Den Äußerungen des Beschuldigten lassen sich auch keine Anhaltspunkte für ein Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen im Sinne des § 130 Absatz 1 Nr. 1 2. Alt. StGB entnehmen. Den Äußerungen kommt kein Apellcharakter [sic!] dahingehend zu, dass zur Begehung rechtswidriger, diskriminierender und schädigender Handlungen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgefordert wird, die elementaren Geboten der Menschlichkeit zuwiderlaufen, wie z.B. Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB, Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen, Pogrome oder die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer oder Arbeitslose.

    Schließlich ergeben sich auch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Tatbestandsalternative des § 130 Absatz 1 Nr. 2 StGB. Denn es fehlt insofern an einem Angriff auf die Menschenwürde des von den Äußerungen des Beschuldigten betroffenen Personenkreises.

    Vom Tatbestand des § 130 Absatz 1 Nr. 2 StGB werden nur besonders massive Schmähungen, Diffamierungen und Diskriminierungen erfasst, durch die den angegriffenen Bevölkerungsteilen ihr ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als „unterwertige” Menschen gekennzeichnet werden (vgl. BGH, NStZ 1981, 258ff.; OLG Hamm, NStZ 1995, 136, 137; Kammergericht, JR 1998, 213ff.). Bloße Beleidigungen oder Beschimpfungen reichen nicht aus, denn der Vorschrift des § 130 StGB kommt nicht die Funktion eines erweiterten Ehrschutzes zu.

    Trotz der Einseitigkeit der gegen muslimische Migranten und Hartz-IV-Empfänger gerichteten Äußerungen kann diesen insbesondere unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs nicht entnommen werden, dass der Beschuldigte diesen Personengruppen generell das Lebensrecht „aberkennen” will oder deren Recht, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben, bestreitet. Die bloße Ablehnung oder moralische Abqualifizierung allein stellt noch keinen Angriff auf die Menschenwürde dar.

  2. Die Äußerungen des Beschuldigten erfüllen auch nicht die Tatbstände der Beleidigung, der üblen Nachrede oder der Verleumdung gemäß der §§ 185, 186, 187 StGB.

    Es liegt bereits inhaltlich keine Beleidigung vor bzw. wäre diese gemäß § 193 StGB in Verbindung mit Art. 5 GG, dessen vollen Schutz auch in einem Presseerzeugnis enthaltene Meinungsäußerungen genießen (vgl. BVerfG, NJW 1992, 1439), nicht rechtswidrig. Bei einer, wie auch hier vorliegenden öffentlichen Auseinandersetzung spricht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede. Eine Rechtfertigung über § 193 StGB scheidet daher nur dann aus, wenn eine Formalbeleidigung oder eine Schmähkritik vorliegt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da trotz aller Kritik, die in den Äußerungen des Beschuldigten enthalten ist, die Auseinandersetzung in der Sache und nicht diee Diffamierung von Hartz-IV-Empfängern im Vordergrund steht. Dem Beschuldigten geht es ersichtlich vorrangig darum, auf die aus seiner Sicht drohenden Folgen einer von ihm verurteilten Einwanderungs- und Sozialpolitik hinzuweisen.

Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist im Ergebnis eine Verurteilung des Beschuldigten wegen der von ihm getätigten Aussagen nicht wahrscheinlich. Das Verfahren war daher einzustellen.

Hochachtungsvoll

XXX
Staatsanwältin

Folgt man dieser Argumentation, dann wären auch folgende Aussage straffrei zu halten:

Ich habe festgestellt, daß mich zwei Mitarbeiterinnen des „Sozialamtes” belogen haben und es auch in Ordnung fanden, das Sozialgericht Düsseldorf zu belügen. Außerdem hat mich auch ein Mitarbeiter des ARGE Düsseldorf belogen. Also konstatiere ich einfach mal, daß bei diesen Behörden nur Lügner arbeiten. Wenn sich jetzt ein dortiger ehrlicher Mitarbeiter darüber aufregt, kann ich ihm ja sagen, daß das von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, da ich nicht zum Haß auf diese Behördenmitarbeiter aufstachle und ihnen auch nicht das Lebensrecht in der Gesellschaft aberkennen will. Beleidigt sein dürfen sie auch nicht, denn eigentlich setze ich mich mit dieser Aussage politisch mit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesregierung auseinander.

Oder wie wäre es damit: Ich schließe aus dem bisherigen Stand dieses Verfahrens, daß die Staatsanwaltschaft Berlin Volksverhetzung sowie Beleidigung und Verleumdung von Bevölkerungsteilen nicht verurteilt sehen will. Darf ich daraus jetzt schließen, daß alle Berliner Staatsanwälte diese ständige Hetze in Ordnung finden und dann behaupten, „das wird man doch wohl noch sagen dürfen”, weil ich ja eigentlich nur die Berliner Justizpolitik kritisiere?

Oder wie?

Fortsetzung folgt.


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3 Kommentare zu “Strafanzeige gegen Sarrazin (5)”

  1. Omepra quakte:

    Hallo Frosch,
    die Tante von der Staatsanwaltschaft, hat sich nur die Bezüge, aus dem Strafgesetzbuch rausgesucht, die Sarrazin entlasten. Und was ist damit?:

    Strafgesetzbuch
    Besonderer Teil (§§ 80 – 358)
    7. Abschnitt – Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (§§ 123 – 145d)
    § 130
    Volksverhetzung

    (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
    1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
    2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

    Ist die Forderung von Sarrazin, Arbeitslose und Ausländer, durch die Behörden, noch mehr, ihrer Menschenrechte und Existenzrechte zu berauben, besonders die Forderung der Kürzung der Leistungen, nicht eine Absprache des Existenzrechtes und der Teilhabe an dieser Gesellschaft. Und was ist mit der Behauptung, bestimmte Rassen und BEvölkerungsgruppen, hätten bessere Gene?
    Wer fordert, daß Arbeitslosen, das Existenzminimum noch weiter gekürzt werden soll, spricht den Menschen, die menschenwürde ab. Siehe Urteil vom BVG zu HARTZ-VI usw. Offensichtlich erkennt Sarrazin, auch das BVG, nicht an.

    Sarrazien hat doch zu 100 Prozent, den öffentlichen Frieden gestört, Menschen beschimpft, böswillig verächtlich macht und verleumdet. Das fällt alles, unter §§ 123 – 145d und § 130 und steht unter Strafe.
    Das hab ich ja, unter omepra.de/info/, zum Nachlesen bereitgestellt.

    Gruß FRANK


  2. Omepra quakte:

    Hallo Frosch,
    hab da noch einen Nachtrag, zu meinem Komentar.
    Es muß natürlich Hartz-IV heißen und nicht Hartz-VI.
    War ich, bischen zu schnell.
    Grüße FRANK


  3. Joachim quakte:

    Die Frage ist,ob es Sinn macht, den Mann anzuzeigen. Und zwar nicht nur unter dem Aspekt, dass man damit einem (zugegebenermaßen intellektuell daherkommenden) wie schon in den Medien zuvor zu viel Beachtung schenkt. Ich meine das wirklich grundsätzlich.

    Gesetzt der Fall, diese Anzeige hätte Erfolg. Es würde geprüft wann und wo gegen welchen Paragrafen verstoßen wurde, wann wer was schreiben und sagen darf, wann eine (auch noch so abstruse) Meinungsäußerung strafbewährt ist und wann nicht. Die folge wäre eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, noch mehr Staat, noch mehr Institutionen, noch mehr Quasi-Zensur. Bitte nicht.

    Und nun zum „wichtig nehmen“

    Sicher, Naziseiten im Internet sind schlimm, die Verantwortlichen Abschaum. Also schützt der Deutsche Staat uns davor. Und regt sich auf wie die Amis über einen Nippel von J. Jackson. Und die Jugend… Wenn die im ein Hakenkreuz sehen…. morgen feiern sie Kristallnacht.

    Glaubt mir, die Jugendlichen sind nicht so dumm, wie es Sozialpädagogen gerne hätten: Die lachen über Nazis und Pornos. Und der größte Spaß dabei ist, wenn sie die Filtersoftware der Schule überlisten und cam4 aufrufen. Ist alles OK mit denen.

    Und die Erwachsenen? Die sehen den Untergang des Abendlandes wegen Sarrazin. Und die vermeintlich Linksliberalen, die man Akademiker,die Oberschlaumeier, die machen den Mann noch reich. Die Bildzeitungsleser kaufen keine Bücher, aber die FAZ Abonnenten. Im Feuilleton wurde S. „groß“ geschrieben, im Spiegel und in der TAZ wichtig gemacht. Und der Totschlagsatz in jeder Talkshow:“Sie haben mein Buch ja gar nicht gelesen“. Dagobert Duck hätte es nicht besser gekonnt.

    Eine Strafanzeige zielt genau in die gleiche Richtung. Was wichtig nehmen, was gar nicht wichtig ist. Und nicht wert ist, dass sich hochbezahlte Juristen damit beschäftigen und Papier voll schreiben.

    Ich zumindest haben besseres zu tun als mich mit Sarrazin zu beschäftigen.

    JO


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