Die Rückkehr des Lügenbarons
23. November 2011 um 17:43 Uhr von Atari-Frosch
Ist es zu fassen? Ein Politiker plagiierte zum größten Teil seine Dissertation, log die Berichterstatter an, mußte seine Ämter abgeben. Aber die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Hof meint, das sei alles nicht so schlimm und stellt das Verfahren ein — gegen eine Zahlung von 20.000 € an die Deutsche Kinderkrebshilfe.
Und es ist ganz erstaunlich, daß diese Einstellung des Strafverfahrens exakt einen Tag vor einer Buchvorstellung des Lügenbarons kommt. Fällt ja so üüüberhaupt nicht auf!
Ein guter Kommentar findet sich bereits im Handelsblatt: Operation Gutten-Back. Mit der Zahlung einer für zu Guttenberg wirklich lächerlich kleinen Spende an die Kinderkrebshilfe soll das öffentliche Interesse nun auf einmal erledigt sein. Nein, Herr Ermittler, das war eindeutig nicht im Namen des Volkes.
Die Glaubwürdigkeit der Person zu Guttenberg, die Hannes Vogel vom Handelsblatt vermißt, ist das eine. Darüber, daß angeblich kein wesentlicher finanzieller Schaden entstanden ist bzw. zu Guttenberg angeblich keinen Gewinn aus seinem Betrug geschlagen hat, kann man streiten.
Aber der wirkliche Schaden für die Gesellschaft ist an der Glaubwürdigkeit des Rechtssystems, des Rechtsstaates als ganzem entstanden. Das ist nämlich genau derselbe Staat, der es Schulbuchverlagen als Urhebern gerade erlauben will, heimlich mit einer selbst erstellten Schnüffelsoftware auf den Computern von Schulen zu spionieren, ob von den Lehrern und Schülern ja keiner eine unerlaubte Kopie von Schulbuch-Inhalten gespeichert hat, was mindestens für die Lehrer gleich ein juristisches und disziplinarisches Nachspiel haben soll. Es ist derselbe Staat, der den Download selbst einzelner MP3-Dateien bestraft. Und es ist derselbe Staat, der der GEMA erlaubt, selbst dann Geld von Veranstaltern zu kassieren, wenn dort nur freie Musik gespielt wird.
Aber wenn ein Herr Karl-Theodor zu Guttenberg mal eben 64 % seiner Dissertation abschreibt, ist das gegen die Zahlung eines Betrages, den er direkt aus der familiären Portokasse nehmen kann, völlig in Ordnung?
Liebe Staatsanwaltschaft in Hof, darf ich an Art. 3 des Grundgesetzes erinnern? Oder wo kann ich nachlesen, daß das Strafgesetzbuch und weitere Strafvorschriften anderer Gesetze nur für bzw. gegen den gemeinen Pöbel geschrieben wurden?
Und: Wie sollen Eltern und Lehrer den Schulkindern jetzt erklären, daß man nicht aus der Wikipedia copy-pasten darf, um seine Schulaufgaben zu machen, wenn diese mit dem Finger auf den mit Geld reingewaschenen zu Guttenberg zeigen?
Wie kann ein deutscher Strafrichter überhaupt noch jemanden verurteilen, wenn dieses Recht nicht für alle gleich gilt? -- wenn er sich dabei wie ein Idiot vorkommen muß, weil die Staatsanwälte aus Hof den Vorbild-Betrüger laufen lassen?
Und er wird nicht einfach nur laufengelassen, die Story geht ja noch weiter. Viel mehr noch: Seehofer will seinen Star zurück Zumindest Teile der CSU wollen ihn wieder ganz oben in der Spitzenpolitik haben. Nun kann man ja mit Fug und Recht behaupten, daß da sowieso schon eine Menge Lügner sitzen, wie zum Beispiel unsere Lügenkanzlerin oder die Bundesarbeits-Zensursula von der Lügen, aber muß man da jetzt mit Gewalt noch weitere Lügner und gar Betrüger reinholen? Ist das deutsche Politik?
Achja, wenn ich die Krebshilfe wäre, würde ich die Spende zurückweisen. Dieses Geld ist schmutzig, ich würde mich schämen.
[Update 2011-11-23 17:55] Eben bei der Tagesschau (Screenshot von 17:50 Uhr):
[/Update]
23. November 2011 at 20:11
Schon erstaunlich, wie schnell das Comeback abläuft. Ich hätte damit erst zum Wahlkampf 2017 gerechnet. Also irgendwann 2015/16. Frau von und zu Gutti ist schon wieder im Dezember 2011 bei rtl2 zu bewundern.
24. November 2011 at 10:41
Vor allem kann er eine Spende auch voll steuerlich absetzen. D.h. er zahlt netto ein wenig mehr als die Hälfte der 20.000 Taler. Da ist 100%ig eine PR Agentur am Werk die das orchestriert.
24. November 2011 at 14:27
@Spendos: Da wäre ich mir nicht so sicher: Geldauflagen aus Strafverfahren für gemeinnützige Zwecke, letzter Satz.
30. November 2011 at 23:14
Die Guttenplage ist wieder da! Nachdem ihm seine Parteifreunde hinter den Kulissen dazu verholfen haben, daß er straffrei aus seiner geguttenbergten Doktorarbeit herauskommt, erweist sich der Freiherr als äußerst undankbar. 20.000 Euro Geldauflage sind bei einem Familienvermögen von 600 Millionen nichts, was wirklich weh tut, selbst wenn die Summe optisch beeindruckt. Der Mann, der „vorerst gescheitert“ ist, sagt nun, daß er „zur Zeit“ Mitglied der CSU sei, was ganz nach einer vorübergehenden Laune klingt, bis bessere Angebote kommen. Überhaupt seien in den Parteien „herausragende Köpfe rar gesät“, und auch die CSU sei weit entfernt davon, noch eine Volkspartei zu sein. Tja, da hat jemand sein freiherrliches Beinchen gehoben und mit einem gezielten Strahl jene Leute angefeuchtet, die ihn so bereitwillig gehätschelt und gefördert haben. Zweitklassige Parteivorsitzende haben eben drittklassige Parteifreunde, kann man Seehofer jetzt trösten. Herr von und zu, auf und davon Guttenberg „arbeitet“ jetzt ehrenamtlich bei einer amerikanischen Denkfabrik. Und wie in einer richtigen Fabrik gibt es dort schöpferische Arbeiter und Brotzeitholer. Schöpferisches Arbeiten ist bei Karl-Theodor bislang nicht beobachtet worden.
22. Dezember 2011 at 11:14
das schlimme ist, das es so billig und überschaubar ist, wie der feine herr seine rückkehr plant. da ist ihm auch kein medienrummel zu blöde, auch wenns nicht zum thema passt, hauptsache im tv und in der zeitung.
ich denke er wird uns alle kräftig auslachen und sich über die dummheit im volke lustig machen.
münchhausen nein danke !!!