Warum antiautoritäre Menschen als psychisch krank eingestuft werden
5. März 2012 um 20:44 Uhr von Atari-Frosch
Dies ist eine Übersetzung des Artikels Why Anti-Authoritarians are Diagnosed as Mentally Ill von Bruce Levine, Ph.D., mit freundlicher Genehmigung des Autors. Ich finde den Artikel deshalb hoch spannend, weil ich mich in vielem wiedererkenne; ich gehöre nämlich auch zu diesen antiautoritären Menschen, die da beschrieben werden.
(Beginn Übersetzung)
Während meiner Laufbahn als Psychologe habe ich mit hunderten von Leuten gesprochen, die vormals von anderen Profis mit „oppositional defiant disorder“[1], Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom, Angststörungen und anderen psychischen Krankheiten diagnostiziert worden waren, und mir fiel auf,
- wie viele der so Diagnostizierten im Wesentlichen anti-autoritär sind und
- daß die Profis, welche die Diagnosen gestellt haben, das nicht sind.
[1] wörtlich übersetzt: „widersetzliche Trotz-Störung“; im ICD und in der deutschen Sprache gibt es dafür offenbar keinen adäquaten Begriff — [Update 2012-03-06 18:21] Oh, das gibt's ja doch: F91.3 Oppositional defiant disorder (benötigt JavaScript). Und auf deutsch heißt das dann wohl „Störung, Sozialverhalten, mit oppositionellem aufsässigem Verhalten“. [/Update]
Antiautoritäre Menschen stellen erst einmal die Frage, ob eine Autorität legitim ist, bevor sie sie ernstnehmen. Die Legitimität von Autoritäten zu überprüfen beinhaltet die Einschätzung, ob Autoritäten überhaupt wissen, worüber sie reden, ob sie ehrlich sind und ob sie sich für die Leute interessieren, von denen sie respektiert werden. Und wenn ein antiautoritärer Mensch eine Autorität als illegitim einschätzt, stellt er sie in Frage und leistet ihr Widerstand – manchmal aggressiv und manchmal passiv-aggressiv, manchmal klug und manchmal auf unkluge Weise.
Manche Aktivisten beschweren sich darüber, wie wenige antiautoritäre Menschen es anscheinend in den Vereinigten Staaten gibt. Einer der Gründe könnte darin liegen, daß viele von Natur aus antiautoritäre Menschen bereits pathologisiert und mit Medikamenten behandelt wurden, bevor sie eine politische Wahrnehmung für solche Autoritäten entwickeln, die die Gesellschaft am meisten unterdrücken.
Warum Profis für psychische Krankheiten antiautoritäre
Menschen mit psychischen Krankheiten diagnostizieren
Um in einer Hochschule oder einer medizinischen Schule akzeptiert zu werden und einen akademischen Grad zu erwerben, um Psychologe oder Psychiater werden zu können, heißt, durch viele Ringe springen zu müssen. Dafür wird eine Menge an angepaßtem Verhalten und zustimmender Beachtung gegenüber Autoritäten verlangt, sogar gegenüber solchen, die selbst respektlos sind. Die Selektion und Sozialisation von Profis für den Bereich psychische Krankheiten tendiert dazu, viele antiautoritäre Menschen auszusortieren. Dadurch, daß ich ein Jahrzehnt meines Lebens damit verbracht habe, mich in diesem höher gebildeten Terrain zu bewegen, weiß ich, daß akademische Grade und Zeugnisse primär Kennzeichen für Zustimmung sind. Diejenigen mit besonders langer Schulausbildung haben viele Jahre in einer Welt gelebt, in der man ganz selbstverständlich den Vorgaben von Autoritäten entspricht. Dementsprechend scheinen für Doktoren und Professoren alle Menschen, die sich dieser Zustimmung in der Aufmerksamkeit und im Verhalten entziehen, aus einer anderen Welt zu stammen — aus einer, die man diagnostizieren kann.
Ich habe herausgefunden, daß die meisten Psychologen, Psychiater und andere Profis in Sachen psychische Krankheiten nicht nur besonders zustimmend gegenüber Autoritäten sind. Sie nehmen auch das Ausmaß ihres Gehorsams nicht wahr. Und mir ist weiterhin klar geworden, daß antiautoritäres Verhalten ihrer Patienten ihnen enorme Angst macht, und diese Angst befüllt Diagnosen und Behandlungen.
In der Hochschule fand ich heraus, daß es genügte, dem Leiter einer klinischen Übung, dessen Persönlichkeit irgendwo zwischen Donald Trump, Newt Gingrich und Howard Cosell angesiedelt war, nicht die Füße zu küssen, um die Bewertung „hat Probleme mit Autoritäten“ zu bekommen. Als man mir in einem Fachbereich mitteilte, daß ich „Probleme mit Autoritäten“ hätte, hatte ich gemischte Gefühle zu dieser Einordnung. Einerseits fand ich es irgendwie amüsant, denn unter den Arbeiterkindern, mit denen ich aufgewachsen war, galt ich als relativ autoritätshörig. Immerhin hatte ich meine Hausaufgaben gemacht, studiert und gute Noten bekommen. Obwohl mich dieses neue „hat Probleme mit Autoritäten“ zum Grinsen brachte, wurde ich nun als schlechter Mensch angesehen, was mir durchaus auch Sorgen bezüglich meiner Berufswahl machte. Vor allem: Wenn jemand wie ich schon mit „hat Probleme mit Autoritäten“ bewertet wurde, wie bewerteten sie dann die Kinder, mit denen ich aufgewachsen war und die sich für vieles interessierten, aber wenig bis gar nicht für die Schule? Nun, die Antwort wurde mir bald klar.
Diagnose „psychisch krank“ für antiautoritäre Menschen
Ein Artikel in der Psychiatric Times von 2009 titelte „ADHS und ODD: Den Herausforderungen von zerstörerischen Störungen gegenübertreten“, welcher auch das Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) und die widersetzliche Trotz-Störung (ODD) behandelt. Diese sind die häufigsten psychischen Probleme bei Kindern und Jugendlichen. ADHS wird definiert durch mangelnde Aufmerksamkeit und leichte Ablenkbarkeit, geringer Selbstkontrolle und Impulsivität sowie Hyperaktivität. ODD wird definiert als ein „Muster von negativem, feindlichem und widersetzlichem Verhalten ohne ernsthaftere Beeinträchtigung der Grundrechte anderer, welche als Verhaltensstörungen angesehen werden“. Zu ODD-Symptomen zählen auch „häufiger aktiver Widerstand oder die Ablehnung, Anweisungen von Erwachsenen oder Regeln zu befolgen“ sowie „häufiger Streit mit Erwachsenen“.
Der Psychologe Russell Barkley, einer der Mainstream-Experten für psychische Krankheiten, sagt zum Thema ADHS, daß diejenigen, die von ADHS betroffen sind, Defizite darin haben, was er „von Regeln beherrschtes Verhalten“ nennt, weil sie nicht so sehr auf Regeln etablierter Autoritäten hören und weniger empfindlich gegenüber positiven oder negativen Konsequenzen sind. Junge Menschen mit ODD haben laut solcher Mainstream-Experten ebenfalls diese sogenannten Defizite in von Regeln beherrschtem Verhalten, und so ist es ziemlich normal für junge Menschen, die „duale Diagnose“ ADHS und ODD zu bekommen.
Wollen wir wirklich jeden mit „Defiziten in von Regeln beherrschem Verhalten“ diagnostizieren und medizinisch behandeln?
Albert Einstein hätte als Jugendlicher höchstwahrscheinlich die Diagnose ADHS bekommen, und vielleicht auch die Diagnose ODD. Albert hörte nicht auf seine Lehrer, fiel zweimal durch seine Zulassungsprüfungen zum College und hatte Probleme, seine Jobs zu behalten. Allerdings behauptet Einsteins Biograf Ronald Clark (Einstein: Sein Leben und seine Zeit), daß Alberts Probleme nicht von seinen Aufmerksamkeitsproblemen herrührten, sondern von seinem Haß auf die autoritäre, preußische Disziplin in seinen Schulen. Im Alter von 13 Jahren las Einstein Kants schwierige Kritik der reinen Vernunft – weil er sich dafür interessierte. Clark erzählt uns auch, daß Einstein sich aus Rebellion gegen die durch seinen Vater vorgezeichnete „unerträgliche“ Laufbahn eines „nützlichen Berufes“ weigerte, sich für seine College-Zulassung vorzubereiten. Nachdem er am College zugelassen worden war, sagte ein Professor zu Einstein: „Sie haben einen Fehler: Man kann Ihnen nichts sagen.“ Die besonderen Charaktereigenschaften von Einstein, über die sich Autoritäten so aufregten, waren exakt dieselben, die es ihm ermöglichten, alle zu übertreffen.
Nach den heutigen Standards wäre Saul Alinsky, der legendäre Organisator und Autor von Weckruf für Radikale und Regeln für Radikale, mit Sicherheit auf eine der mehr oder weniger zerstörerischen Störungen diagnostiziert worden. In Erinnerung an seine Kindheit sagte Alinsky: „Ich dachte niemals daran, einen Rasen zu betreten, bis ich ein Schild sah 'Rasen betreten verboten'. Dann würde ich darauf herumtrampeln.“ Alinsky erinnert sich auch an eine Zeit, als er zehn oder elf war und sein Rabbi ihn in Hebräisch unterrichtete:
An einem Tag las ich drei Seiten am Stück ohne einen Aussprachefehler, und plötzlich fiel ein Penny auf die Bibel … Am nächsten Tag erschien der Rabbi und befahl mir, zu lesen. Und ich tat es nicht; ich saß nur still da und weigerte mich, zu lesen. Er fragte, warum ich so still war, und ich sagte: „Diesmal muß es ein Nickel sein, oder es passiert gar nichts.“ Er erhob seinen Arm und prügelte mich quer durch den Raum.
Viele Menschen mit starken Angststörungen und/oder Depressionen sind ebenfalls antiautoritär. Ein häufiger Schmerz in ihrem Leben, der ihre Angst und/oder Depressionen befüllt, ist die Furcht, daß ihre Verachtung für illegitime Autoritäten dazu führt, daß sie finanziell und sozial an den Rand gedrängt werden; aber sie fürchten, daß eine Zustimmung zu solchen illegitimen Autoritäten ihren existentiellen Tod bedeuten könnte.
Ich habe ebenfalls eine Menge Zeit mit Menschen verbracht, die mindestens einmal in ihrem Leben Gedanken und Verhaltensweisen hatten, die so bizarr waren, daß ihre Familien schreckliche Angst vor ihnen hatten, und auch sie vor sich selbst. Sie wurden mit Schizoprenie und anderen Psychosen diagnostiziert, haben sich aber vollständig davon erholt und führten danach über viele Jahre ein produktives Leben. Unter diesen Leuten habe ich nicht eine Person kennengelernt, die ich nicht als massiv antiautoritär einstufen würde. Mit ihrer Gesundung haben sie gelernt, ihre antiautoritäre Einstellung in konstruktive politische Ziele zu kanalisieren, inclusive für eine Reform der Behandlung bei psychischen Krankheiten.
Viele antiautoritäre Menschen, die vormals mit psychischen Krankheiten diagnostiziert worden waren, sagen mir, daß sie in einem Dilemma gefangen waren, sobald die psychiatrische Diagnose gestellt worden war. Autoritäre Menschen verlangen der Definition nach unhinterfragten Gehorsam, daher verursachte jeder Widerstand gegen ihre Diagnose und Behandlung enorme Angst bei den autoritären Profis in Sachen psychische Krankheiten, sie fühlen sich ihrer Kontrolle beraubt, bewerten die Patienten mit „widerspricht der Behandlung“, erhöhen den Schweregrad ihrer Diagnose und treiben die Medikamentendosis in die Höhe. Das hat diese antiautoritären Menschen manchmal dermaßen aufgeregt, daß sie in einer Art reagierten, welche ihre Familien noch mehr einschüchterte.
Es gibt antiautoritäre Menschen, die Psychopharmaka verwenden, um funktionieren zu können, aber sie weisen häufig die Erklärungen von psychiatrischen Autoritäten dafür zurück, warum sie Schwierigkeiten damit haben, zu funktionieren. So nehmen sie zum Beispiel Adderall (ein Amphetamin, das bei ADHS verschrieben wird), aber sie wissen, daß ihr Aufmerksamkeitsproblem nicht das Ergebnis eines biochemischen Ungleichgewichts im Gehirn ist, sondern durch einen langweiligen Job ausgelöst wird. Und genauso nehmen viele antiautoritäre Menschen in höchst stressigen Situationen verschreibungspflichtige Benzodiazepine wie Xanax, weil sie glauben, daß es zwar sicherer wäre, gelegentlich Marihuana zu benutzen, das aber nicht tun können, weil bei ihrem Arbeitgeber Drogentests durchgeführt werden.
Meiner Erfahrung nach weisen viele antiautoritäre Menschen, die psychiatrische Diagnosen bekommen haben, nicht alle Autoritäten ab, sondern einfach nur diejenigen, die sie als illegitim einschätzen, was allerdings auf eine große Zahl von gesellschaftlichen Autoritäten zutrifft.
Den sozialen Status erhalten
Amerikaner wurden verstärkt damit sozialisiert, mangelnde Aufmerksamkeit, Ärger, Angst und lähmende Verzweiflung mit einem medizinischen Status gleichzustellen, und eher medizinische als politische Abhilfe zu suchen. Was gibt es besseres, um den Status Quo zu erhalten, als mangelnde Aufmerksamkeit, Ärger, Angst und Depression als biochemische Probleme von psychisch Kranken anstatt als normale Reaktionen auf eine verstärkt autoritäre Gesellschaft anzusehen.
Tatsache ist, daß Depressionen hochgradig mit sozialen und finanziellen Schmerzen assoziiert werden. Die Wahrscheinlichkeit, depressiv zu sein, ist höher, wenn man arbeitslos, unterbeschäftigt, von Sozialleistungen abhängig oder verschuldet ist (zur Dokumentation siehe „400 % Steigerung bei Antidepressiva“). Und mit ADHS diagnostizierte Kinder sind aufmerksam, wenn sie dafür belohnt werden, oder wenn eine Aktivität neu, für sie interessant oder von ihnen selbst gewählt wurde (dokumentiert in meinem Buch Rebellion des Menschenverstandes).
In einem früheren dunklen Zeitalter verbrüderten sich autoritäre Monarchien mit autoritären religiösen Einrichtungen. Als die Welt diese dunklen Zeitalter verließ und in das Zeitalter der Erleuchtung kam, gab es einen Ausbruch von Energie. Vieles von dieser Wiederbelebung hatte damit zu tun, Skepsis gegenüber Autoritäten und korrupten Institutionen zu riskieren und den eigenen Gedanken zu vertrauen. Wir befinden uns jetzt in einem weiteren dunklen Zeitalter, nur die Institutionen haben sich geändert. Amerikaner brauchen dringend antiautoritäre Menschen, um neue, illegitime Autoritäten zu hinterfragen, herauszufordern und ihnen zu widerstehen und um sich ihr Vertrauen in ihren eigenen gesunden Menschenverstand zurückzuholen.
In jeder Generation wird es autoritäre und antiautoritäre Menschen geben. Obwohl es in der amerikanischen Geschichte unüblich ist, daß antiautoritäre Menschen tatsächlich in Aktion treten, um andere zu einer erfolgreichen Revolte zu inspirieren, kommt doch immer wieder ein Tom Paine, Crazy Horse oder Malcolm X vorbei. Auf diese Weise drücken autoritäre Menschen diejenigen, die sich dem System widersetzen, an den Rand, sie kriminalisieren antiautoritäre Menschen, psychopathologisieren sie und vermarkten Medikamente zu deren „Heilung“.
(Ende der Übersetzung)
Siehe auch:
- 05.03.2012 Spiegel Online: Früh eingeschulte Kinder: ADHS ist oft Falschdiagnose
23. Mai 2013 at 11:03
[…] […]
8. März 2014 at 12:15
Danke für den Interessanten Beitrag!
Allerdings gibt es bei der ganzen Herangehensweise ein Problem:
Das soziale Miteinander aus der soziologischen Betrachtung wird zu einem hohen Maße und unfairerweise für Betroffene und Leidende Menschen, die wirklich Störungen haben die einer Psychopathologie entsprechen, verneint und auf ein Niveau heruntergeworfen, das nur noch von einem sozialdynamisch geprägtem Nicht-Wollen ausgeht. Das sind Ursächliche Faktoren im Bereich der psychoanalytischen/soziologischen Paradigmen und wohl auch Behavoristische Modelle, die hier diese unzulässige Vermischung unterschiedlicher Sichtweisen ohne die notwendige dem jeweilligen Blickwinkel geschuldete Modellisierung zu berücksichtigen.
Es ist also notwendig das man das Thema wieder auf ein Maß mit Bodenhaftung herunterbricht und das passiert offenbar in dieser Sichtweise nicht richtig und ist für den unbedarften Leser Anlass das Thema falsch aufzunehmen.
ADHS heißt zum Beispiel wirklich das im privaten und persönlichen Leben dauerhaft Einschränkungen bestehen. Das heißt nicht das dieser Ansatz des Artikels nicht auch einen Erkenntnisswert mit sich brächte, aber er verleugnet die Tatsache, das den Pathologien vor allem auch ein Scheitern im privaten, in der Selbstinduzierten Lebensumsetzung zu Grunde liegt.
Ein Rebell, der sich gegen eine Autorität auflehnt oder das hierarchische System in Frage stellt und deshalb nicht befördert wird, ist etwas ganz anderes als ein ADHSler der sich sehr wohl dem sozialen System unterwerfen will! es aber nicht kann! Seine Emotionale Dysregulation führt einfach dazu, das er aus der Bahn geworfen wird, weil seine Reaktion durch die fehlende Reaktionsunterdrückung bei Reizen (nach Barkley) nicht gehemmt wird, obwohl er es eigentlich nicht möchte den zwar ätzenden aber trotzdem den Vorgesetzten anzupöbeln.
Der Moment an dem Sie in so einer Situation eine Entscheidung! treffen, ist bei dem ADS Betroffenen diese bereits durch seine Schwäche der Reizunterdrückung eine Reaktion erfolgt.
Es ist ein bischen so, wie man es von Tieren kennt, die ohne Verstand auf emotionale Resonanz reagieren. Da ist einfach nur Reaktion, kein Denken über die Sachlage und vor allem kein Denken über die Konsequenzen, was typisch für ADSler ist.
Genauso muss man einfach sehen das ein Mensch der alle paar Jahre eine Manie hat und auf den Tischen tanzt, sich in dieser Zeit verschuldet, ein Haus oder Auto per Handschlag kauft, sich verheiratet oder seiner geliebten Frau einen Laufpass gibt, diese Dinge nicht tut weil er einen klaren Verstand hat und diese Entscheidet.
Sie berauben mit dieser Sichtweise also die pathologisch Kranken Menschen ihrer Pathologie weil sie die sozialen Regelmechanismen, die dieser Beitrag durchaus solide darstellt, verwechseln.
Pathologien sind deshalb so sehr mit Leiden verknüpft, weil sie den MEnschen dazu bringen Dinge zu tun oder nicht mehr tun zu können, die sie eigentlich mit Vollbesitz ihrer Geisteskräfte nicht tun würden.
Davon unberührt lassen möchte ich die Zwischenstufe psychodynamisch wirksame soziale Kontakte, die durch unter anderem traumatisch erlebte soziale Prozesse in die Krankheit treiben können wie Mobbing oder anderes. Das ist aber gerade bei vielen Krankheitsbildern nicht relevant, weil diese Krankheiten wie ADHS oder Borderline oder auch Asperger/Autismus schon in frühester Kindheit ermittelbar sind.
Am Ende bleibt natürlich ein spekulativer Raum übrig, in dem soziale Prozesse psycho-soziale Einflüsse ausüben und diese im Wechselspiel von Leib und Seele zu Krankheit werden oder selbige Begünstigen.
Es scheint aber gerade dann ein Problem zu sein, wenn bestimmte angeborene Charaktermerkmale und oder Gentypen zusammentreffen wobei wir wieder bei psychoathologischen Krankheits-Ursachen wären und uns wiederum vom sozialen Zusammenspiel der Kräfte entfernen.
Es ist eben gerade das Paradigma einiger Geisteswissenschaften den Menschen zum Spielball der Kräfte zu machen in ihren Überlegungen und das ist für diese Modelle richtig.
Dennoch scheinen Vererbungscharakteristika bei alledem einen erheblichen Anteil zu tragen.
Auch hier können wir bei den Tieren lernen, wenn wir genau hinschauen. Wir sehen das Rasssenunterschiede bei Hunden oder auch Pferden sehr massiv die Körperlichkeit und die Charaktere prägt. Rassen, die einst als Kampfhunde gezüchtet wurden sind Schmerzunempfindlicher, kennen den Kampfrausch schon genetisch impliziert. Ähnliches kann man bei Menschen beobachten. Bauarbeiter haben im Schnitt weniger körperliches Schmerzempfinden als vergleichbare Gruppen. Alles nur erlernt/Gewohnheit/Abstumpfung?
Man kann einfach diese körperliche Erbstrukturmasse nicht verleugnen und leider ist es eben so das diese Bereiche dermaßen komplex sind, das etablierte Geisteswissenschaftliche Modelle davon durchaus völlig überfordert sind.
Ein besonders gutes Beispiel dafür ist die Ernäherungskunde, die heute noch immer ohne jede substanzielle Wissenschaftlichkeit einfach eine gefühlte „gesunde“ Ernährung durch Beobachtungsstudien zu beweisen versucht, dabei jedoch immer wieder auf die Nase fällt wenn die handfesten Daten Zahlen und Fakten aus anderen Disziplinen entsprechend herangezogen werden.
So weiß man heute über den Darm viel mehr, die Darmbakterien, das Darmgehirn (enterisches Nervensystem) über die höchstwarscheinlich genetisch induzierte Allergenwirkung natürlicher Bestandteile der Nahrung und ihr Zusammenwirken auf Appetitsteuerung. Man sieht auch immer mehr wenn man genauer die Daten prüft, das gar nicht die Ernährung oder das Ernährungsverhalten die Auslöser für Krankheiten sind, sondern viel tiefer gegraben erkennt man das Stressoren für den Körper zu Hypercortisolismus führen und der höhere Cortisolspiegel wird im visziralen Fettgewebe abgebaut und das führt zum durchaus werthaltigen Hip-To-Waist-Faktor. Die Empfehlung dann fettarm zu essen kolllidiert aber mit dem Bedarf des Körpers Fett für den Cortisolabbau zu verwenden. Das ganze Konzept wird garniert mit den Stoffwechseltypen basierendem Reaktionsspektrum auf Stress: Die einen magern ab und können nichts essen – die Anderen essen und legen Gewicht zu – Aber eben nicht wegen der Kalorien, sondern wegen der Stressoren.
So kommen also überkommene längst wiederlegte pseudowissenschaftliche Modelle wie die simplifizierte Kalorien-Gewicht Hypothese immer noch in die Schulbücher, ja sogar an die Spitze einer pharisäerhaften Hexenjagdbewegung gegen die Esslust befördert durch autoritäre STrukturen wie Sie sie ja hier im Artikel kritisieren.
Aber an der Wirklichkeit geht das alles vorbei. Die Wirklichkeit ist oft einfach zu kompliziert für die Modelle unserer Geisteswissenschaften. Leider kommt das oft in den Elfenbeintürmen nicht an und will dort auch keiner Wissen. Es geht vielmehr um das Selbstreproduzieren und die Fleischtöpfe an die die Mehrheit ran will.
Vielleicht denken Sie noch mal darüber nach. Es kann eine soziologische Kritik nicht 1 zu 1 auf einen anderen solide arbeitenden wissenschaftlichen Bereich übertragen werden.
Hier übrigens einige Vorträge von Barkley einem motivierten Psychiater der selbst persönliche Motive hatte dieses Thema aufzugreifen. Er hat im Familienumfeld Erfahrungen mit der ADHS gemacht und das ist einer seiner Antriebe. Wenn man ihm zuhört stellt man fest, das er an den Menschen sehr interessiert ist. Es geht nicht einfach immer um autoritäre Strukturen. Auch autoritäten können wirklich am Menschen interessiert sein. Wer das nicht mehr wahr nehmen kann wenn er einem Menschen wie Barkley zuhört, der ist an seiner eigene negativierte Weltanschauung gegekketet, die nurnoch in Kategorien von Herrscher und Beherrschten aufteilt, wie es oft in der marxistischen Denke vorkommt.
http://www.youtube.com/watch?v=NUQu-OPrzUc
http://www.youtube.com/watch?v=SCAGc-rkIfo
Hier eine kurze fachlich kommentierte Version seines ADS Modells
http://www.sfg-adhs.ch/downloads/adhs-aktuell-22.pdf
http://www.sfg-adhs.ch/?lang=de
Vielen Dank nochmal für Ihre geistreichen Beiträge auf ihrem Blog!
20. März 2014 at 17:38
Puh, das war ja ein halber Roman 😉
Zunächst: Ich habe eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Text nicht von mir ist. Ich habe ihn nur übersetzt und zum Original verlinkt.
Äh, ja, natürlich. Niemand wird als Bauarbeiter mit Hornhaut geboren. Das hat mit angeborenen Eigenschaften wie AD(H)S, Autismus, oder angeborenen Neigungen wie die zu Depression oder Migräne überhaupt nichts zu tun.
Der Autor ist meiner Interpretation nach nicht der Meinung, daß Diagnosen deshalb immer falsch sein müssen. Aber man muß unterscheiden zwischen Diagnosen, die auf einer Krankheit, Behinderung oder Störung beruhen und solchen Diagnosen, die allein dadurch zustande kommen, daß der Patient dem Arzt nicht zustimmt.
So stehen in mehreren Gutachten über mich, geschrieben von mehreren Psychiatern, daß ich „paranoid“ sei. Der Grund ist einfach, daß ich Untersuchungen hinterfragt und aufgrund von früheren Erfahrungen ein gewisses Mißtrauen gezeigt habe. Das ändert nichts an der korrekten Diagnose „chronische Depression“ (während sie meinen Autismus regelmäßig übersehen haben; das mußte ich selbst rausfinden).
Sorry, die Videos lasse ich jetzt mal weg. Der Text war lang genug 😉
Gruß, Frosch
21. März 2014 at 22:44
Ja, versteh ich schon. Ich kenne es ja auch :o)
Beispiel:
Ernährungszwangsberatung kritisiert als ideologischen Nonsens / bariatrische „Zwangs“Op-„Empfehlung“ abgelehnt als Verstümmelung gesunder Organe von Menschen und zack: Kunde arbeitet nicht mit Amtsarzt zusammen, Beratungsresistent.
So einfach geht das und am Ende: Wer sich nicht bedingungslos unterwirft ist krank.
Obrien zu Winston Smith: „Sie sind krank“ und Obrien hält sich für die Medizin bzw. den Duktus des Regimes.
Wie auch immer mein Beitrag war vor allem für solche geschrieben, die sich zu unkritisch mit der ADHS Kritik beschäftigen. Die Video Beiträge sind sehr gut aber halt ADHS und lang. Nirgendwo steht geschrieben das Bildung kurz dauert 😉 Auch für diejenigen, die keine Ahnung haben was ADHS wirklich ist.
Da ist soviel Märchenmist unterwegs…
MFG
17. August 2018 at 23:12
Hallo Zusammen.
Spannend. Ich war letztes Jahr in eine Tagesklinik gekommen.
Nebst meiner Autoritäts Disorder, ADS, Borderline und chronisch wiederkehrenden Depressiven Schüben, wurde in der Tagesklinik alles Mögliche und Unmögliche Festgestellt.
Da quasselten die Ärzte dauernd mit Ihren F-Codes herum.
Ich habe den ICD Katalog weder gefressen noch ins Gehirn gemeisselt. Merkte mir aber dauernd die Nummern und nach den Visiten suchte ich nach den Nummern und konfrontierte die Ärzte in der nächsten Visite damit.
Es ging soweit, dass man mich als Nicht-Heilbar, ergo Gesund abstempelte und entliess, mit der Begründung: Schauens dass Sie wieder arbeiten gehen in eine Firma, 40h damit Sie nicht auf blöde Gedanken kommen und sorgen Sie dafür, dass Sie ihre Schulden abbauen.
1 Jahr später, bin ich noch (wieder) Arbeitslos, habe noch mehr Schulden und vor 2 Monaten meiner Liebe den Laufpass gegeben.
Achja neue Medikamente wollten Sie mir verschreiben. Habe ich Dankend abgelehnt. Die Erfahrungen mit Antidepressivas und Psychopharmakas reichen mir…
Aber weil ich die Medikamentöse Behandlung ablehne und nur den Gesprächs-Therapeutischen Teil akzeptiere, werde ich von der Krankenkasse abgelehnt und als Gesund eingestuft.
Das Arbeitsamt gibt dann einem noch den Rest und ich steh da und keinen Plan was jetzt abgeht oder ich tun soll.
Kaum neue Arbeitsstelle werde ich entlassen: Mit Antiautoritären Mitarbeitern können wir hier nichts anfangen.
Da frage ich mich einfach…. was tun?
In was für einer Welt leben wir, wo, wenn man Hilfe braucht sich einem Schema unterwerfen und mitspielen muss.
Ich suche mir ja die Erkrankungen nicht freiwillig aus.
Vielleicht finde ich ja bald eine Lösung, die besser ist, als mir das Leben zu nehmen, blos weil ich mich Fehl in dieser Welt fühle.
17. August 2018 at 23:27
@Wassermann: Weia. Ich glaub, das einzige, was bleibt, ist Selbständigkeit. Kann auch in die Hose gehen, ja. Aber dann tut man wenigstens was Sinnvolles, ohne daß einem jemand ständig dreinredet.
25. März 2019 at 20:08
Interessante Darstellung/ Sichtweise.
Ichselbst denke auch antiautoritär. Traue mich aber meist nicht, es laut auszusprechen.
Ich lasse die reden und mache letztendlich das, was ich für richtig halte.
Anti autorität
25. März 2019 at 20:18
Interessante Sichtweisen.
Ichselbst bin auch nicht von allem Begeistert, was „Autoritäten“ sagen. Wir sind alle Menschen und Menschen machen Fehler.
Daher sollte man immer das eigene Hirn einschalten, bevor man vermeintlichen Autoritäten hintether rennt.
Sicher kann diese Haltung krankheitsbedingt entstehen. Mangelnde Sozialkompetenz etc.. aber durch (schlechte) Erfahrungen lernt man, vorsichtiger zu sein.
Ich war schon mal in einer Klinik, wo die Ärzte mich operieren wollten. Ich habe mir bei einem Spezialisten dann eine 2. Meinung eingeholt, weil ich den Krankenhaus Mitarbeitern (Ärzten) nicht vertraute. Und der Spezialist sagte mir „so gern ich Geld mit Ihnen verdienen würde, sie müssen nicht operiert werden.“
Und als ich später den Kurzarztbericht des Krankenhauses las, stand auch dort „keine Hernie feststellbar“..
Also vertrau ich lieber auf mein eigenes Gefühl. Ist doch ganz natürlich!
Und das Herabstufen eines Patienten auf Grund von Widerständen bezüglich der Behandlung resultiert aus meiner Sicht aus einem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex. Es bedarf eines ausgeprögten Selbstwertgefühls/ Selbstvertrauens, anderen Menschen jeglicher Herkunft/ Krankheit etc. auf Augenhöhe begegnen zu können. Selbst bei solchen „Specials“, wie einer Psychose.
29. Januar 2021 at 1:51
Wow!