Leistungsschutzrecht beschlossen
1. März 2013 um 15:14 Uhr von Atari-Frosch
Sie haben es getan. Die (anwesenden) Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben das unsägliche Leistungsschutzrecht für Presseverlage beschlossen. Sie haben es beschlossen, obwohl ihnen vorher wochen- und monatelang erklärt wurde, daß und warum es Blödsinn ist.
Wie mit den Klammern schon angedeutet, waren nicht alle Abgeordneten anwesend. Das ist an sich schlimm genug. So richtig peinlich wird es, wenn man sich mal so anschaut, wer insbesondere nicht anwesend war:
Zum Beispiel Sahra Wagenknecht und Katja Kipping (Linke), Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne). Also ein Teil des Spitzenpersonals der Parteien, die offiziell das Leistungsschutzrecht nicht haben wollen. Die Spitzen der Opposition.
Und genau diese Parteien kritisieren jetzt lautstark den Beschluß, den sie hätten verhindern können? Geht's noch?
Tobias Driewer hat das in einem Beitrag bei Google+ schön aufgedröselt: Grüne Linke SPD. Er schreibt:
Wenn ich etwas in Mathe gelernt habe ist es das addieren. Gehe ich nun davon aus, dass diese Parteien wirklich gegen das #lsr waren/sind was auch immer, dann komme ich auf 293 zu 293 Stimmen und wenn dann noch mein werter Abgeordneter aus Hamburg sich nicht enthalten hätte, sondern wie in seiner Mail angekündigt dagegen gestimmt hätte, dann gäbe es kein #lsr
Sein Abgeordneter hat sein Abstimmungsverhalten also auch noch falsch angekündigt – oder wurde nach der Ankündigung, sagen wir, „bearbeitet“.
Also, nochmal:
Zugestimmt haben 293 Abgeordnete, abgelehnt haben 243. Von der SPD hat sich einer enthalten und 25 haben nicht abgestimmt (= 26 fehlende Ablehnungen), von der Linken haben 16 nicht abgestimmt (= 16 fehlende Ablehnungen), von den Grünen haben 11 nicht abgestimmt (= 11 fehlende Ablehnungen). Das macht 26 + 16 + 11 = 53 fehlende Ablehnungen. 243 plus 53 wären dann sogar 296 möglich gewesene Ablehnungen.
Wenn CDU/CSU und FDP also ihre Leute nicht ins Parlament kriegen, wenn sie über so einen Blödsinn abstimmen wollen, ist das eine Sache. Aber wenn dann auch noch die Opposition ihre Leute nicht zusammenkratzt, dann ist das keine Demokratie mehr, sondern eine Förderung von Politiker-, Parteien- und Wahlverdrossenheit.
So nebenbei wüßte ich dann gern mal noch, ob es in diesem Fall eine Pairing-Vereinbarung gegeben hat und wenn, warum Abgeordnete nicht die Freiwilligkeit einer solchen Vereinbarung nutzten, um dieses schwachsinnige Gesetz zu verhindern. (Danke an Alex für den Hinweis auf diese Praxis).
Zum Schluß bleibt mir nur der höfliche Hinweis an alle Bundestagsabgeordneten, daß sie nicht einseitig eine Branche vertreten sollen, die es überwiegend nicht geschafft hat, zu merken, daß im Internet ein paar Sachen anders laufen, und die sich nicht anpassen kann oder will, sondern alle Bürger und Wähler (incl. derer, die aus bereits vorhandener Politikerverdrossenheit nicht mehr wählen gehen, obwohl sie es könnten). Die jetzt neu entstandene Rechtsunsicherheit füttert jetzt aber nur Rechtsanwälte und die Rechtsabteilungen der Verlage, die das neue Gesetz nutzen wollen, mit Abmahnungen fett. Die Mehrheit der Bürger und insbesondere der Internet-Nutzer dagegen wird ausschließlich Nachteile davon haben. So war das mit der Demokratie nicht gemeint.
1. März 2013 at 15:26
Mich wunderts nicht sonderlich, Schwarz Gelb will ein Erfolgserlebnis vor der Bundestagswahl.
Alle anderen interessiert es nicht.
Vielleicht kriegen wir dann bald so nette Sachen , wie bei Youtube,
diese… in Ihrem Land nicht verfügbar
1. März 2013 at 17:14
Die Frage ob es eine Pairing-Vereinbarung gegeben hat wurde von Lars Klingbeil beantwortet:
https://twitter.com/larsklingbeil/status/307465189945651200
„sowas gibt es nicht hier“
1. März 2013 at 17:15
@SunTsu: Danke!
1. März 2013 at 20:15
[…] Sabine hat hierzu auch einen schönen Artikel gepostet der zeigt, dass man das LSR hätte verhindern können wenn die sogenannte Opposition […]
1. März 2013 at 22:54
Das ist allerdings ein Detail aus der „Arbeit“ von SED und „Grünen“, das wirklich auf der Zunge zergeht, ibs. unter dem Aspekt, daß „der Abgeordnete ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet“ ist.
Ehrlich, eher würde ich „NPD“ wählen als SED oder „Grüne“ – da weiß man wenigstens von vornherein, WAS man wählt.
4. März 2013 at 17:59
Wenn sich jetzt ein vernünfiges Maß für die Länge der zitierten Textauszüge vor Gericht etabliert – ein paar Verfahren werden da wohl geführt werden müssen weil der Bundestag versäumt hat Vorgaben zu machen -, dann geht die Sache für mich o.k. Für beliebiges Kopieren kann ja nun wirklich keiner sein, oder?
4. März 2013 at 19:29
@Fozzie: Natürlich kann beliebiges Kopieren nicht sein. Das ist aber längst geregelt: Es gibt das Urheberrecht und das Zitatrecht. Letzteres erlaubt bereits das Zitieren von Ausschnitten unter der Bedingung, daß das Zitat nicht größer ist als das eigene Werk und natürlich, daß man nicht zu viel aus dem Original herauszitiert. Dazu braucht es kein Leistungsschutzrecht, denn natürlich können die Presseverlage, genau wie jeder andere, der etwas publiziert, sich längst wehren, wenn jemand „klaut”.
Der ursprüngliche Sinn des Leistungsschutzrechts bestand aber wohl darin, daß die Presseverlage bei den Suchmaschinen, insbesondere Google, aber auch bei News-Aggregatoren abkassieren wollten, wenn diese den Teaser einer Nachricht gleich mit anzeigen und nicht nur die Überschrift. Dabei wurde den Verlegern längst erklärt, daß sie das selbst abstellen können, und das sogar artikelweise. Aber sie wollen ja in die Suchmaschinen, natürlich mit Teaser, denn Artikel mit Teaser werden eher gelesen als die ohne.
Oder, wie es so schön beschrieben wurde: Das ist, wie wenn der Taxifahrer der Gaststätte was dafür bezahlen soll, daß er sie seinen Fahrgästen empfiehlt und sie da hinbringt.
In Belgien hat man das auch versucht, und da war Google konsequent: Sie haben einfach alle Zeitungen von dort aus dem Index genommen. Auf einmal war man da dann wieder anderer Meinung. 🙂