Verhöhnung
14. Juni 2013 um 15:58 Uhr von Atari-Frosch
Anders als Verhöhnung kann man es nicht mehr nennen, was die Bundesarbeitsagentur heute veröffentlicht hat. Ekelhafte, verlogene Verhöhnung von Millionen von Zwangsverarmten. Das einzige, womit man das noch erklären kann, ist das kleine Wörtchen „Wahlkampf“.
Da erklärt uns die Bundesarbeitsagentur kackfrech:
Weder widerspricht die Grundsicherung („Hartz IV“) dem Grundgesetz, noch verletzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter durch ihre tägliche engagierte Arbeit die Würde der Kunden.
Allein davon schwillt vermutlich vielen Zwangsverarmten der Kamm. Zwar will die Bundesarbeitsagentur damit natürlich vor allem auf Inge Hannemann einprügeln, aber weil das grade so schön paßt, haut sie mal eben noch kräftig auf all die Menschen drauf, die in den letzten Jahren bei den ARGEn erfahren haben, daß sie eigentlich nur noch ein unbrauchbares Stück Dreck sind.
Die ganzen Erfahrungen, die Zwangsverarmte veröffentlicht haben (und die nur die Spitze des Eisbergs sein dürften, weil sich viele damit gar nicht in die Öffentlichkeit trauen), haben wir uns wohl allesamt nur eingebildet? Die ganzen Lügen, die Rechtsverstöße, die nachweislich falschen Bescheide, veschleppten Verfahren und verlorengegangen wordenen Unterlagen, die Zerstörung von Existenzen, Sanktionen auf Null selbst für Schwangere? Alles nur dummes Geschwätz von Leuten, die Langeweile haben?
Und dann heißt es auch noch:
[Inge Hannemann] bringt ihre Kolleginnen und Kollegen in Gefahr, die sich zunehmend Aggressionen von Seiten der Kunden ausgesetzt sehen.
Oh nein. In die Gefahr, von zynisch „Kunden“ genannten Delinquenten aggressiv angegangen zu werden, bringen sich die ARGE-Mitarbeiter selbst, dazu braucht es keine Inge Hannemann und auch sonst keinen Whistleblower. Wie ich schon vor knapp zwei Jahren schrieb: Es wird immer wieder passieren, daß auch mal jemand im Amt „die Möbel umstellt“ oder zuschlägt, wenn man ihm kalt lächelnd die Existenz kaputtmacht.
Die Bundesagentur für Arbeit hat sich heute mit diesen kalten, ekelhaften Lügen keine Freunde gemacht. Außer vielleicht beim Hetzblatt, die finden das bestimmt gut. Und vielleicht war das auch das Ziel: Den Mob gegen eine engagierte Frau aufzubringen, die es wagt, sich dafür einzusetzen, daß „wirtschaftlich Überflüssige“ noch menschenwürdig behandelt werden.
Zur Kompatibilität zum Grundgesetz habe ich schon mehr als genug geschrieben, zum Beispiel in Hartz und die Grundrechte, mal wieder oder, ein halbes Jahr vorher, in Hartz IV und Grundrechte. Aber das ist ja auch gar nicht vorgesehen, stattdessen findet eine systematische Bedarfsunterdeckung bei den Zwangsverarmten statt, damit der „Arbeitsmarkt“ möglichst viele billige bis kostenlose Arbeitssklaven bekommt.
Was ja auch von vornherein der Zweck von Hartz IV war:
Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. … Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.
(Bundeskanzler Gerhard Schröder am 28. Januar 2005 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos)
Um dieses Ziel weiterhin zu erreichen bzw. aufrechtzuerhalten, darf man ruhig mal lügen und Millionen Menschen verhöhnen. Das paßt dann auch vollständig zur „Sozial- und Arbeitsmarktpolitik“ der asozialen Bundesregierung.
[Update 2013-06-14 20:30] Mittlerweile hat Inge Hannemann selbst Stellung bezogen: Bundesagentur für Arbeit diffamiert Inge Hannemann. [/Update]
[Update 2013-06-15 03:15] Telepolis schreibt dazu: „Inge Hannemann gefährdet tausende Mitarbeiter der Jobcenter“ – Kommentar zur Presseerklärung der Bundesanstalt für Arbeit (via @telepolis_news). [/Update]