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Ich bin ein Spiegel.

11. August 2014 um 17:46 Uhr von Atari-Frosch

Das habe ich in den letzten Tagen schon zweimal auf Twitter erwähnt, und ich wollte mal noch ausführlicher erklären, was ich damit meine: Ich spiegele das Verhalten wider, das andere mir gegenüber an den Tag legen. Genaugenommen, die Wirkung ihres Verhaltens. Ich kann nicht anders. Ich bin so.

Eigentlich ist das ja ganz einfach: Wenn Dich jemand anlügt und Du findest es heraus, glaubst Du ihm nicht mehr, oder zumindest nicht mehr so unbedenklich wie vorher vielleicht. Du wirst mißtrauisch, wenn er etwas sagt, spätestens, wenn es Dir seltsam vorkommt, und prüfst genauer nach, ob es stimmt. Es wäre dumm, jemandem nochmal unbesehen zu vertrauen, der Dich einmal belogen hat – oder?

Allerdings gibt es, sagen wir, Einrichtungen, in denen ein solches Verhalten nicht geduldet wird. Da darfst Du nicht einfach „spiegeln“, wie ich es mache. Da hast Du Dir alles an systematischen Demütigungen, Lügen, Nötigungen und was ihnen sonst noch einfällt gefallen zu lassen, und das am besten noch lächelnd. Du darfst dort nicht einmal sagen, daß gedemütigt, gelogen und genötigt wird.

Warum? Weil sie Dein Leben in der Hand haben.

Nein, ich rede nicht von der Mafia. Ich rede von den ARGEn und den Ämtern für asoziale Desintegration (oder so ähnlich). Es mögen vielleicht nicht alle so sein, aber bereits das SGB ist ja darauf angelegt, diesen Behörden alle Rechte in die Hand zu geben und den Bedürftigen alle zu nehmen. Als Bedürftige hast Du nur noch Pflichten, und wenn Du die erfüllst, darfst Du – vielleicht – weiterexistieren. Und auch nur existieren, denn alles, was darüber hinaus geht, betrachten sie schon als Anmaßung. Es genügt bereits, zu erwähnen, daß Du Grundrechte hast, oder daß das Bundesverfassungsgericht eine Sache anders sieht als sie selbst; wenn Du Glück hast, schalten sie dann nur auf Durchzug.

Manche meinen nun, ich dürfe nicht den „Fehler“ machen, dieses demütigende Verhalten zu „spiegeln“. Sie dürfen mir damit drohen, mir das Existenzminimum zu nehmen, und das dann „Konsequenz“ nennen – naaaain, natürlich würden sie niiiiie Drohungen aussprechen. Ich darf umgekehrt keine Konsequenzen ankündigen, denn das wären natürlich ganz böse Drohungen, die sich ein Bedürftiger aber mal gar nicht erlauben darf.

Ich kann aber nicht anders. Ich kann genausowenig anders wie manche Leute bestimmte Lebensmittel nicht essen können. Ich kann das genauso wenig ändern, wie ich mein Geschlechtsempfinden ändern kann. Oder meine durch den Autismus bedingten Eigenschaften. Oder meine Schuhgröße.

Klar, ich könnte mich beugen. Ich könnte Unterlagen geduldig zweimal, dreimal, zehnmal einreichen, wenn sie verloren gegangen werden. Oder jedesmal extra Geld ausgeben, um sie per Einschreiben gegen Unterschrift zu schicken. Ich könnte immer schön brav Ja und Amen sagen, ihre Lügen wegstecken, mich zu sinnlosen Dingen nötigen lassen und – mich letztendlich selbst dafür hassen.

Sie können versuchen, mir meine Würde zu nehmen; aber erst damit, daß ich so etwas zulasse, das ich mich beuge und mich selbst beschäme, lasse ich sie mir auch tatsächlich wegnehmen.

Das ARGE kann mir buchstäblich alles nehmen, auch das Leben. Aber nicht meinen Stolz und meine Würde.

Nur, falls das jetzt jemandem einfällt: Nein, ich will kein Märtyrer sein, und schon gar nicht steht mir der Sinn nach irgendeiner Art von Heldentum.

Aber ich bin ich, und auch, wenn ich so keiner wie auch immer zu definierenden Norm entspreche – ich habe meine Menschenwürde. Und ich habe jedes Recht, so zu sein, wie ich bin, solange ich niemandem schade.

Und ich bin nun mal ein Spiegel.


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5 Kommentare zu “Ich bin ein Spiegel.”

  1. Joachim quakte:

    Schön, dass Du das so schreibst. Weniger schön, dass Du das so schreiben musst.

    Nach:
    http://dr-mueck.de/Wissenschaftsinfos/Spiegelneurone-Autismus.htm
    aber kannst Du gar kein Spiegel sein. Danach wären Deine Spiegelneuronen defekt. Auch nach Wikipedia wird, wegen „fehlender“ Spiegelneuronen, Autisten Empathie durch einige Forscher abgesprochen.

    Und nun sagst Du: „ich bin ein Spiegel“. Ich denke, dass nicht Jedem dieser (scheinbare) Widerspruch klar ist. Mich würde sehr interessieren, wie Du oder Andere diesen Punkt sehen.

    (Rest zu den Ämtern: tl;dr leider Zustimmung und mehr – vielleicht später).


  2. Atari-Frosch quakte:

    @Joachim: Du wirfst hier drei Dinge einen Topf: zum einen das Erkennen von emotionalen Signalen, zum zweiten das Verstehen der Gefühlslage oder Intention eines anderen und zum dritten die angemessene Reaktion darauf. Aber keine Sorge, Du bist damit glaube ich nicht alleine 😉

    Allerdings wurde die Antwort jetzt so lang und ist auch eigentlich ein recht wichtiges Thema, daß ich dazu jetzt mal einen eigenen Artikel gebaut habe: Autismus und Empathie.


  3. Joachim quakte:

    Vielen Dank, besonders auch für den neuen Artikel! Damit hast Du „meine Frage“ damit weit mehr als hinreichend beantwortet. Dir ist klar, dass ich sie nicht für mich gestellt habe? Dir ist klar, dass ich Dein, für Dich wohl neutrales Bild „Ich bin ein Spiegel“ für sehr treffend, nebenbei für sehr schön und positiv, halte?

    Ich denke nicht, dass ich da drei Dinge in einen Topf werfe. Ich habe im Konjunktiv gesprochen und nur Dritte zitiert. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich halte das klar für falsch.

    Wer „Deren“ ist, zeigt zum Beispiel ganz gut:

    http://www.planet-wissen.de/natur_technik/forschungszweige/spiegelneuronen/interview_defekte_spiegelneuronen.jsp

    Nein, ich bin ganz und gar nicht seiner Meinung.


  4. Atari-Frosch quakte:

    @Joachim: Dieser Dr. Bauer spielt indirekt auf die längst überkommene Theorie der „Kühlschrank-Mütter“ an, die in den 1960ern als Ursache für Autismus galten. Irgendwie scheint der in der Zeit stehengeblieben zu sein.

    Den Konjunktiv habe ich nicht eindeutig herausgelesen, sorry.

    Ob Du eine Frage für Dich oder andere stellst oder einfach aus Neugierde, ist doch egal 🙂


  5. Joachim quakte:

    Für wen ich die Frage stelle ist aus meiner Sicht schon wichtig. Ich möchte, dass _wir_ verstehen.

    Übrigens, das Bauer-Interview ist von 2009! Der schreibt Bücher, bezieht sich auf Studien und verbreitet einen, aus meiner Sicht gefährlichen Mix aus Wissenschaft und Vorurteilen. Dummerweise hat Bauer (trotz seiner falschen Interpretation von „Spiegelneuronen“) auch schon mal Recht.

    Hint: Autismus aus pathologischer Sicht zu betrachten ist unvernünftig. Es existiert ein Unterschied zwischen Ursache und Wirkung… Die Ursache für Autismus (er-)kennen wir aber nicht (so lange wir nach einer Krankheit oder Störung suchen).


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