Kein Link, kein Klick, kein Cent!
10. September 2014 um 13:56 Uhr von Atari-Frosch
Sorry Leute, ich versteh Euch nicht. Wir haben monatelang gegen das Leistungsschutzrecht angeschrieben, manche haben sich – wie ich – das D64-Plugin ins WordPress gepappt, und als das alles nichts nutzte, haben wir auf die Abgeordneten geschimpft, die es durchgewunken haben.
Und jetzt?
Wohin ich auch sehe, alle diejenigen, die da mitgemacht haben, verlinken weiterhin munter auf Medien, die das Leistungsschutzrecht forderten und dafür lobbyierten, Springer-Presse inclusive. Oft genug hinter Short-URLs auf Twitter, so daß man es nicht mal sieht, daß man dahin geleitet wird, um seine eigene Entscheidung treffen zu können.
(Short-URLs: Wenn man nur Twitter auf t.co kürzen läßt, kann noch jeder sehen, wohin es eigentlich geht; allerdings benutzen viele noch, warum auch immer, einen zweiten Kürzer. Damit sieht man nur noch den zweiten Kürzer, aber nicht mehr den originalen Link.)
Wie macht Ihr das eigentlich, wenn Ihr beim Lebensmittelkauf bestimmte Hersteller boykottieren wollt?
- Ferrero
- Ferrero möchte man ja vielleicht nicht so wirklich unterstützen, weil sie meinen, daß alles, was im Internet das Wort „Kinder“ verwendet, nur von ihnen kommen darf, wie beispielsweise im Streit um die Domain kinder.at. Wenn Ihr deshalb also keine Ferrero-Produkte kaufen wollt – kauft Ihr dann trotzdem noch Nutella, weil das doch so toll und Kult und überhaupt ist?
- Nestlé
- Bei Nestlé ist man der Meinung, Trinkwasser sei keine Ressource, die jeder einfach so haben sollte [Youtube-Video], sondern soll gefälligst von ihnen flaschenweise gekauft werden müssen. Das findet ja auch nicht jeder so toll – aber der leckere Nesquick für die Kinder, der muß doch sein, ne? Ich meine: Nein.
Und das sind nur zwei Beispiele. Wenn mir dann Konstantin von Notz sagt:
Konstantin v. Notz @KonstantinNotz
.@AtariFrosch Eine Zeitung hat nicht nur "eine" Meinung. Auch Schirrmacher hat für die @faz geschrieben. Artikel lohnt!
Nein, eine Zeitung hat nicht nur eine Meinung. Aber wenn der Verlag, der die Zeitung verkauft, sich dem Bemühen des Axel-Springer-Verlags anschließt, sich scheinbar genehme, aber eigentlich völlig schwachsinnige Gesetze quasi zu kaufen, dann interessiert mich keine dieser Meinungen.
Als Journalist sollte man sich umgekehrt durchaus überlegen, für welches Blatt man schreibt und wem das gehört. Denn sie, die die eigentliche Arbeit abliefern, haben vom Leistungsschutzrecht genau gar nichts. Daher gibt es für anständige Journalisten auch überhaupt keinen Grund, mit ihrer Arbeit Verlage zu unterstützen, die meinen, Suchmaschinen, speziell Google, dazu zwingen zu dürfen, ihnen Leser (und damit Klicks) zu verschaffen und dafür dann auch noch zu bezahlen.
Nein, Google ist sicher kein Engel. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich bin der Meinung, wer gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist, sollte darin konsequent sein:
Kein Link, kein Klick, kein Cent!
10. September 2014 at 17:33
Empörung kann man gut verkaufen und sich selbst als weißer Ritter sehen.
Selbstgefälligkeit, Selbstgerechtigkeit sind halt das schöne kostenlose Substrat der Empörungskultur.
Bequemlichkeit ist dann die Kollision mit der Wirklichkeit und der Teststreifen ob es sich um echtes Engagement handelte.
Eigentlich wollen alle sich Distanzieren und Differenzieren, aber wenns um die Bequemlichkeit oder das Geld geht, wenn Verzicht und eigene Nachteile drohen, na dann ändert sich das mit dem Empören schlagartig und man findet 1001 Gründe für die Rechtfertigung der eigenen Kompromisse 🙂
Auf diejenigen, die sich von Anfang an ehrlicherweise nicht auf so einen Schmonz einlassen und sagen: „Ist mir egal! Ich hab da keinen Bock drauf!“, auf diese schaut der Empörungs-Jet-Set arrogant herab. Ja klagt sie an!
So ist das halt. Lippenbekenntniss vs. echtem Engagement.
hihi
12. September 2014 at 12:05
Jep, das ist ein Problem. Wenn ich in einem Blog eine öffentliche „Meinung“ diskutieren will, so kann ich die Zeitungen nicht auslassen. Ich löse das bisher so:
1) Ein „richtiger“ Artikel, vielleicht gar zum LSR, kann erwähnt werden. Der Verlag ändert nichts an Korrektheit.
2) Einem „falschen“ Artikel, gerade wenn er eine politische Meinung transportiert, muss schon mal widersprochen werden. Gerade auch dann wenn der Verlag „spinnt“.
3) Bei vielen Themen ist man nicht auf die Medien angewiesen.
4) Die wesentlichen LSR-Fanatiker schießen sich selbst in das Knie. Ihre Artikel sind oftmals einfach keine Diskussion wert. Siehe Springer…
5) Als Internetnutzer verwende ich Adblock.
1,2 sagt: Inhalt ist wichtiger als wild laufende Verlage. Das ist keine „Werbung“!
3,4 sagt: Meiden, wenn immer möglich. Inhalt, Qualität und LSR korrelieren umgekehrt zueinander.
4 sagt: Ich bestimme, was mein Browser wie anzeigt. Möchte das jemand nicht, so lese ich dort nicht.
Nun lese ich Dich und denke noch einmal nach…
13. September 2014 at 22:08
„…Als Journalist sollte man sich umgekehrt durchaus überlegen, für welches Blatt man schreibt und wem das gehört…“
Die Situation der meisten Journalisten heute ist für die allermeisten prekär – ganz anders als noch vor 30 Jahren. Damals arbeitete ich für ein paar Jahre als Redakteur einer Lokal Zeitung. Die Honorare bzw. Gehälter sind heute auch unter Berücksichtigung der Euroeinführung aber ohne! Inflationsausgleich (also absolut) sowohl für Text als auch für Foto geringer als in den 80er Jahren. (Ab ca. 1990 sanken die Honorare kontinuierlich.)
Im Gegensatz zu Dir müssen die meisten Journalisten und Reporter ihre Miete selber bezahlen und gehen darum vielleicht auch mal Kompromisse ein die weh tun. Das ist so im Leben, leider. Gelegentlich muss man eben mit den Wölfen heulen um nicht von irgendwelchen Fürsorgeleistungen abhängig zu werden.
Außerdem läuft „das Texten“ zumindest im überregionalen Bereich meist über Agenturen womit man dann keinen Einfluss mehr darauf hat in welcher Zeitung es erscheint. Ich habe auch schon Texte von mir an Stellen lesen müssen, wo ich sie lieber nicht gelesen hätte. (Allerdings sind das keine politischen Themen.) Übrigens, vom meiner Schreibe alleine leben könnte ich sicher nicht – außer als „Aufstocker“ vielleicht. Aber Schreiben nur einer von mehreren meiner Jobs.
Das Leben ist eben kein Ponyhof und nicht immer läuft es wie man es sich wünscht. Das geht jedem so. Wirklich immer politisch korrekt und kompromisslos konsequent zu leben kann sich nur leisten, wer Millionenerbe ist oder anderweitig versorgt ist.
JO
P.S: Diverse Boykotte sind IMHO eine schlechte Idee: Außer Ferrero und Nestle kannst Du alles und jedes boykottieren. Die Konzerne und Marken sind so miteinander verflochten, dann darf man gar nichts mehr kaufen.
Aber Deinen „Kein Link, kein Klick, kein Cent!“ kann ich nachvollziehen.
Auf meinem persönlichen Index stehen Lidl (und Kaufland, gehört dazu) und stand früher auch Schlecker. Wegen der Arbeitsbedingungen.