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Gendergerechte Sprache?

5. April 2015 um 21:17 Uhr von Atari-Frosch

Auf Twitter (ich weiß, ist eigentlich ungeeignet dafür) hatte ich heute eine etwas längliche Diskussion mit Befürwortern gendergerechter Sprache. Die Einleitung deutet schon drauf hin, daß ich selbst nicht zu den Befürwortern gehöre. Dafür habe ich gleich mehrere Gründe.

In den frühen 90er-Jahren habe ich selbst Text mit Binnen-I verfaßt. Das war im Zusammenhang mit den Jusos und der SPD Mannheim, bei denen ich in der Zeit aktiv war und insbesondere die Magazine „Oskar“ (Jusos) und „Rotes Quadrat“ (SPD) layoutet hatte. Ich hatte in der Zeit auch eigene Texte beigetragen, und diese, wie es erwartet wurde, mit Binnen-I gegendert. Und schon dabei fühlte ich mich nicht wohl, es fühlte sich einfach falsch an, und der Sinn erschloß sich mir nicht so richtig. Aber es wurde erwartet, also habe ich es halt gemacht.

Aus dieser Zeit existiert zum Beispiel noch der Text „Auswirkungen der europäischen Verkehrspolitik auf Mannheim“ vom September 1993. Bei der Übernahme auf meine Website habe ich das Binnen-I dringelassen, um den Text im Original zu dokumentieren. Aber nicht, weil ich es gut finde.

Später wurde es für mich immer schwieriger, solche Texte zu lesen. Neben dem Binnen-I kam auch noch die Version mit dem Unterstrich („Bürger_innen“) und die mit dem Sternchen („Bürger*innen“) dazu. Mit der massiven Verstärkung meiner Autismus-Symptome durch die Depression stieg meine Abneigung dagegen, solche Texte überhaupt lesen zu wollen, selbst wenn mich der Inhalt interessierte, weil ich genau wußte, daß ich sie dann doch nicht lesen kann.

Warum ich sie nicht lesen kann?

Stell Dir mal vor, Du liest einen eigentlich interessanten Text, und mindestens einmal pro Satz wirst Du im Lesefluß gestört. Lies mal so einen Text und denk Dir bei jedem derart gegenderten Wort ein lautes „BOING!“. Genau so fühlt sich das für mich an. Als würde ich mit jedem dieser verbogenen Wörter mental gegen eine Wand laufen. Den Inhalt kann ich dann nicht mehr erfassen, die Konzentration dafür ist schnell im Eimer. Der Text wird für mich unlesbar.

Die Wirkung ist ein Stück weit vergleichbar mit blinkenden Werbeanzeigen auf Webseiten: Es lenkt unglaublich ab.

Ich werde immer wieder gefragt, ob ich mich nicht dran gewöhnen könnte. Sorry, Leute, ich kenne das jetzt seit über 20 Jahren, und nein, es gibt keine Gewöhnung. Das „BOING!“ bleibt, selbst wenn mich ein Text noch so sehr interessiert. Es hilft nichts. Ich kann ihn nicht lesen.

Von Anfang an hatte ich ja auch die Argumente nicht so wirklich verstanden. Das Argument war: Frauen sichtbar(er) zu machen, zu inkludieren. Die deutsche Sprache sei maskulin und würde Frauen ausschließen. Ich hatte unsere Sprache nie so wahrgenommen.

Natürlich war und ist mir klar, daß Frauen (und Menschen abseits der binären Geschlechtsnorm) im Alltag benachteiligt und diskriminiert werden. Das habe ich als biologische Frau selbst oft genug erlebt. Ich hatte aber nie das Gefühl, daß unsere Sprache an sich der Grund dafür ist.

Letztens lief mir ein Aufsatz über den Weg, der mein Bauchgefühl mit Argumenten bestätigte. Mit Argumenten, die mir im Gegensatz zu denen der Befürworter von Gender-Texten auch sofort verständlich waren: Genus und Gendersprech: Der Führerin entgegen!. Darin wird ausführlich der Unterschied zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht aufgedröselt und erklärt, warum wir in der deutschen Sprache die scheinbar so zufällig gewählten bestimmten Artikel genau so benutzen, wie wir sie benutzen.

Im Nachhinein frage ich mich, wieso das nicht Teil des Deutsch-Unterrichts war, denn viele Kinder wollen doch schon wissen, warum die Artikel so scheinbar willkürlich gewählt werden – spätestens, wenn man mit Kindern zu tun hat, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und man mitbekommt, wie schwer diese sich damit tun, sich zu jedem Namenswort den richtigen Artikel zu merken. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich das mit einem türkischen Mädchen aus unserem Hinterhof immer wieder geübt hatte, weil sie lernen wollte, wie es richtig geht.

Nach dieser Lektüre ist für mich klar bzw. noch viel klarer, daß Sprache nicht der Hebel sein kann, um die Wahrnehmung und Akzeptanz von Frauen und Menschen außerhalb der binären Geschlechtsnorm – oder in Kurz: von Nicht-Männern – zu verbessern. Im Gegenteil: Das künstliche Verbiegen der Sprache wird die meisten Menschen eher davon abschrecken, sich damit zu befassen. Um die Akzeptanz und die Rechte von Nicht-Männern zu stärken, sind ganz andere Hebel notwendig.

Das fängt bereits bei kleinen Kindern an: Nein, (biologische) Mädchen müssen nicht rosa und (biologische) Jungen nicht hellblau tragen. Die Mädchen müssen sich nicht unbedingt für Puppen, Mode, Kosmetik, einkaufen und kochen interessieren, und die Jungen nicht für Autos, Raketen, Technik. Laßt sie doch unabhängig von dem, was sie zwischen den Beinen haben, mit dem spielen, das lernen, lesen, basteln, was sie interessiert und cool finden! Und wenn ein Mädchen sich für Raketen und den Weltraum interessiert und hellblau supersüß findet, ist das genauso OK, wie wenn ein Junge lernen möchte, wie man Puppenkleidchen häkelt oder sich die Fingernägel rosa lackiert.

Oder Produkte: Machen wir doch den Herstellern und Vertrieblern klar, daß „gegenderte“ Produkte große Kacke sind. Was ich da in letzter Zeit über Twitter und teils auch direkt im Laden so mitbekommen habe, löst bei mir einen Facepalm nach dem anderen aus. Zum Beispiel so etwas wie Kartoffelchips oder saure Gurken jeweils getrennt für Frauen und Männer. Ich meine … geht's noch?

Oder Arbeitsplätze: „Programmierer“ ist eine Berufsbezeichnung und hat genauso wie der Beruf selbst überhaupt nichts damit zu tun, ob der Mensch, der ihn ausübt, einen Penis oder eine Vagina hat oder ob sich dieser Mensch als weiblich, männlich, bi-gender, genderfluid oder noch was ganz anderes empfindet. Denn all das hat überhaupt keinen Einfluß auf die Qualität der Arbeit. Laßt die Personaler anhand von Bewerbungsunterlagen, in denen der Vorname abgekürzt (oder der Name komplett pseudonymisiert) und kein Foto enthalten ist, entscheiden, ob jemand qualifiziert genug erscheint, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Ich habe eben schon angedeutet, daß es gar nicht nur um Frauen geht bzw. gehen kann. Wie will man denn sprachlich die Menschen inkludieren, die sich beispielsweise, wie ich, als bi-gender definieren? Wie die genderfluiden Menschen oder jene, die sich als geschlechtslos empfinden? Sollen dafür dann noch mehr Verknotungen erfunden werden?

Nein, es ist nicht die Sprache, die Nicht-Männer exkludiert. Es ist der Umgang mit Geschlechtlichkeit an sich; die Tatsache, daß das Geschlecht und/oder die Sexualität eines Menschen in Bereichen als relevant und als Ein- oder Ausschlußkriterium angesehen wird, in welchen es überhaupt keine Bedeutung hat. Wenn wir aufhören, die Geschlechtlichkeit im Alltag als Bewertungskriterium anzusehen, und andere darauf aufmerksam machen, erreichen wir meiner Ansicht nach wesentlich mehr, als wenn wir künstlich unsere gewachsene Sprache verknoten und damit eher noch weitere Menschen ausschließen und/oder abschrecken.

Mit der künstlichen Veränderung der Sprache werden nämlich durchaus wiederum Menschen exkludiert – zum Beispiel Autisten, die dann Texte nicht mehr oder nur noch unter größten Anstrengungen lesen können. Ich bin damit ja keineswegs alleine, wie ich schon mehrfach mitbekommen habe.

Und auch blinde Menschen, so habe ich letztens gelesen (habe leider den Link nicht mehr parat), finden es nicht unbedingt lustig, was ihnen ihre Screenreader vorlesen, wenn da Sternchen oder Unterstriche an Stellen auftauchen und vorgelesen werden, für die sie nicht vorgesehen waren.

Fazit und TL;DR: Mit der künstlichen Veränderung der Sprache werden Menschen exkludiert, und das mit zweifelhaftem Nutzen für die, zu deren Vorteil die Veränderung eigentlich eingeführt werden soll. Aber echte Inklusion kann nur funktionieren, wenn die Inklusion der einen Gruppe nicht zur Exklusion mindestens einer anderen führt. Damit, das Geschlecht nicht mehr als Bewertungskriterium einzusetzen, würden wir insgesamt und zum Vorteil Aller besser fahren.


History

9 Kommentare zu “Gendergerechte Sprache?”

  1. Heiko quakte:

    Auch wenn es ein wenig am eigentlichen Thema vorbei geht, aber das man das „Fräulein“ als Anrede für nicht verheiratete Frauen abgeschafft hat, finde ich als genau so einen Quatsch, wie das rumgegendere. Warum hatte man nur in Deutschland ein Problem damit, das unverheiratete Frauen ein Fräulein waren, während es den meisten anderen Sprachen nach wie vor diese Unterscheidung gibt und die Frauen dort anscheinend kein großes Problem damit haben. Wie heißt es so schön: Wer keine Probleme hat, der macht sich welche 😉


  2. Alex quakte:

    Heiko, dass man nur in Deutschland ein Problem damit hatte, stimmt nicht. Die Franzosen haben 2012 im offiziellen Sprachgebrauch die Mademoiselle abgeschafft, und zwar mit der gleichen Begründung wie bei uns: Es ist ein verniedlichender Ausdruck, der nur bei Frauen angewandt wird. Herrlein z. B. gibt es nicht. Ich finde das im Gegensatz zu der unsinnigen Genderei, bei der ich Frosch zu 100% zustimme, berechtigt. Das Fräulein ist durchaus noch Ausdruck der untergeordneten Stellung der Frau, die lange Zeit gang und gäbe war.

    Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/sexistische-sprache-frankreich-sagt-adieu-zur-mademoiselle-a-816866.html


  3. SunTsu quakte:

    Ich mag weder Binnen-I noch Sternchen im Lesefluss, es wurde aber besser seit ich weiß daß z.B. SpielerInnen als „Spielerinnen und Spieler“ gelesen werden sollte, daß es schlicht eine Abkürzung dafür ist. Mich nervt so manches Gegendere auch, vorallem wenn geschlechtsneutrale Worte aus dem Englischen gegendert werden: „Speakerinnen“. Da schreit mein Sprachgefühl auf.

    Und jetzt kommt das aber: Der Vortrag https://www.youtube.com/watch?v=pQiA8XymmKM von Anatol Stefanowitsch auf dem 29c3 hat mir zu denken gegeben. Ich achte seitdem mehr auf den Sprachgebrauch und ich muss ihm da rechtgeben. Die deutsche Sprache ist was Geschlechter angeht einfach Mist. Ich muss Menschen immer ein Geschlecht geben, auch wenn ich das nicht will. Ich kann nicht neutral über Menschen reden. Ich muss immer sagen z.B. „Ein Programmierer, der xy macht…“. Das ist Blödsinn. Im Englischen kann ich das problemlos neutral ausdrücken: „Programmers who …“. Wenn ich über eine Gruppe rede habe ich die Wahl entweder beide Geschlechter aufzuführen, was aufwendig ist, oder nur ein Geschlecht nehmen, was das andere verschweigt.

    Warum ist das Verschweigen schlecht? Weil es das Parsen schwieriger macht. Ja, „Programmierer“ ist der Sammelbegriff, ABER es ist auch das Wort für männliche Programmierer, generischer Maskulin eben. Warum macht es das schwierig? Weil das andere Geschlecht immer doppelt parsen muss: „Alle Programmierer machen bitte xy“ – als männlicher Programmierer ist es für mich eindeutig, als weiblicher Programmierer muss ich anfangen nachzudenken: „Bin ich mit gemeint? Waren jetzt wirklich alle Programmierer gemeint oder alle männlichen Programmierer?“ – das ist doch unnötig, das verkompliziert die Kommunikation für das jeweils andere Geschlecht doch unnötig. Das macht Sprache unnötig verwirrend.

    Anatol hat da noch einige andere sehr interessante Punkte. Ich bin seither der Meinung daß es sinnvoll wäre wirklich neutrale Sprachmöglichkeiten zu haben, wie im Englischen. Ja, da ist es auch nicht ganz perfekt, aber ich kann wählen. „he, she, they“ – ich kann männlich, weiblich oder neutral bezeichnen.


  4. SunTsu quakte:

    Noch ein Nachtrag: Das aktuelle Gegendere ist schlicht der Versuch die am wenigsten störende geschlechtsneutrale Formulierung mit der aktuellen Sprache zu finden. Es ist nicht das Ziel das tatsächlich so in der Sprache zu verankern, sondern das muss man als Experimente begreifen die akzeptabelste Form der Geschlechtsneutralität mit einer nicht geschlechtsneutralen Sprache zu finden.


  5. Marc quakte:

    Hallo Sabine,

    ich gebe dir absolut recht und ich freue mich – als Mann der für Gleichberechtigung, aber gegen das, was da gerade unter dem Deckmantel der Emanzipation passiert ist – wenn eine Frau mal gegen so einen Quatsch ist.

    Natürlich gibt es Argumente für eine solche Sprache ABER die waren Probleme entstehen doch erst grad.
    Die Generation um 25 rum fühlt sich nicht mehr benachteiligt und lebt das, was gerne eine „selektrive Emanzipation“ genannt wird. Also Samstag abends soll es natürlich Unterschiede zwischen Mann und Frau geben (Getrenke spendieren), Montag morgens dann sollen alle gleich sein. Und dieses genrelle Gerede über Gleich-Sein macht eh jegliche Chance kaputt, dass jeder seine eigenen Begabungen ausbauen kann. Anstatt dass wir erkennen, dass jeder anders ist und nicht alle gleich.

    Und ich persönlich habe schon oft unter diesem komischen bevorzugen von Frauen im Bildungsbereich gelitten (schlechte, unfähige Dozentinnen), denn diese Frauen machen den fähigen und kompetenten Frauen, das Leben schwer!

    Die Sprache ist etwas, über das man schimpfen kann, ohne dass es groß Auswirkungen hat. In meinen Augen wäre es viel Sinnvoller endlich mal zu untersuchen, wo es noch an echter gleichberechtigung fehlt. (Ich selber musste lernen, dass ich als Lehrer den mädchen schwarze Stifte geben soll und den Jungs rosane, das sei dann Emanzipiert – so ein quatsch! Das ist Zwang ohne ende, nur eben anders herum).

    Also ich als Mann leide sehr stark und dieser Emanzipation und werde – ganz konkret – oft genug benachteiligt und wenn ich diese unleserlichen Texte lesen muss, dann könnte ich kotzen.

    Wie gesagt, ein hoch auf alle gleichberechtigten Frauen und Männer – und gegen das was heute Emanzipation genannt wird!


  6. Daniel Bohrer quakte:

    Lieber Marc,

    ungeachtet der Tatsache, dass sich deine Argumente inhaltlich kaum auf den Artikel beziehen, möchte ich trotzdem was dazu sagen. Zuerst einmal magst du in der Gruppe der um-die-25-Jährigen eine Tendenz dazu sehen, sich nicht mehr ungleich behandelt zu fühlen. Eine unbelegte Tatsachenbehauptung ist natürlich noch lange kein Argument, und so möchte ich als Angehöriger dieser Gruppe nur meine unbelegbare Meinung in den Topf werfen, nämlich dass ich mehrere Menschen aus dieser Altersgruppe kenne, für die deine Behauptung nicht zutrifft.

    Dann zur „selektiven Emanzipation“: auch die habe ich in meinem sozialen Umfeld bisher kaum bemerkt, eher im Gegenteil: es wird fast immer darauf bestanden, für sich selbst zu bezahlen. Auch dies ist natürlich nur ein weiteres, unbelegbares Beispiel in der Waagschale. Aber wenn eine Frau von dir erwartet, dass du ihr Getränke ausgibst, „weil Männer das ja so machen“, dann heißt das ja noch lange nicht, dass du das auch tun musst. Weise sie doch kurz darauf hin, dass du dich von ausgelutschten Rollenmustern ausgenutzt fühlst – auch dein Beitrag zur Abschaffung von Sexismus ist wichtig.

    Schließlich zum „generellen Gerede über Gleichsein“: natürlich sind nicht alle Menschen gleich und jeder Mensch hat verschiedene Fähigkeiten. Und die sollen auch alle Menschen nach Möglichkeit nutzen und ausbauen können. Wo aber Gleichheit herrschen muss, ist vor dem Gesetz, beim Arbeitslohn und bei selbst auferlegten Pflichten. Ob ein Mann oder eine Frau die selbe Arbeit machen – beide verdienen es, dafür das selbe Gehalt zu bekommen. Ob der eine oder der andere Partner in einer Beziehung den Müll rausbringt, abwäscht, die Kinder zur Schule bringt – beide Partner haben sich diese Pflichten durch ihre eigenen Entscheidung selbst auferlegt und haben sich gleichberechtigt darum zu kümmern. Und wenn sie sich absprechen, der eine Partner geht arbeiten, der andere Partner bleibt daheim, weils so halt besser passt, dann ist das auch okay, solange beide damit zufrieden sind. Nichts davon kann jemand anders für sie bestimmen, und egal, wie ihre Lösung am Ende aussieht, alle anderen können es anders machen. Und im Übrigen hat nichts davon mit Beschränkung der persönlichen Fähigkeiten zu tun.


  7. Daniel Bohrer quakte:

    …und ja, eine neutrale Ausdrucksweise wie im Englischen mit Singular „they“ – das fehlt mir in der deutschen Sprache auch sehr. Ich möchte schließlich auch, dass die Dinge, die ich sage und schreibe, neutral wahrgenommen werden, wenn sie so gemeint sind. Aber Sprache ja lebt von denen, die sie sprechen, und die normative Kraft des Faktischen ist (hoffentlich) vorhanden – also warum nicht mit gutem Beispiel vorangehen? Ich habe für mich selbst schon festgestellt, dass mir z.B. passive Formulierungen statt „man“ weiterhelfen („es wurde festgestellt“ statt „man hat festgestellt“, Aussagekraft ist die selbe), oder die Verwendung von substantiviertem Partizip („Lehrende“ statt „Lehrer_innen“, klappt natürlich nicht mit allen Worten).

    Für Singular-Pronomen fehlt mir sowas noch. Im Deutschen („sie“) gibt es zwar wie im Englischen („they“) ein geschlechtsneutrales Pronomen für die dritte Person im Plural, das aber meiner Meinung nach leider nicht wie im Englischen verwendet werden kann. Vergleich: „Somebody left their umbrella in the office. Would they please collect it?“ vs. „Jemand hat ihren Regenschirm liegen gelassen. Würde sie ihn bitte abholen?“ – wenn ich den Satz im Deutschen sage, würden mich alle komisch anschauen, was schon allein daran liegt, das das Wort „sie“/“Sie“ auch gleich noch zwei andere Bedeutungen hat. Zudem ist der Wortlaut der selbe, als wenn ich explizit von einer weiblichen Person sprechen würde, was mir nicht weiterhilft, um das eigentliche Problem zu lösen.

    Ich habe auch mal eine Weile öfters mit generischem Femininum formuliert – einfach um festgefahrene Denkstrukturen aufzubrechen und ein Gegengewicht zum generischen Maskulinum zu schaffen. Aber auch das hilft mir nicht, das eigentliche Problem zu lösen. Als ähnliche Möglichkeit hat sich im Englischen auch die abwechselnde Verwendung von „she“ und „he“ eingebürgert, wenn das Geschlecht nicht bekannt ist. Das ist natürlich im Deutschen genau so umsetzbar und bietet meiner Meinung nach fürs erste einen besseren Mittelweg als nur generisches Femininum oder generisches Maskulinum.


  8. Gendergerechte Sprache! | @wasMitNetzen – Blog quakte:

    […] Twitter-Timeline mal wieder um der Thema gendergerechte Sprache. In diesem Zusammenhang wurde dann dieser Blogpost erwähnt und als ich diesen gelesen habe, fiel mir auf, dass ich das vor circa einem Jahr wohl […]


  9. dunkelangst quakte:

    Hi Frosch!

    Zunächst muss ich sagen, dass ich es wirklich Klasse finde, dass du Diskussionen nicht nur auf Twitter sondern vor allem auch in deinem Blog führst. Hier kann man doch deutlich sachlicher Antworten, als mit 140 Zeichen. Außerdem bleiben die Kommentare ehalten; das kann man von einem Tweet wohl eher nicht behaupten.

    Zum Thema selbst:
    Schon im Grammatikbuch meiner Oma stehtgeschrieben, dass immer wenn es nicht auf eine geschlechtsspezifische Unterscheidung ankommt, immer beide Geschlechte und alle Individuen gemeint sind. Daher bezieht sich die Anrede „Hallo liebe Schüler“ automatisch auch auf die Mädchen. Das Gendern der Sprache finde ich schlicht lächerlich; nein, eigentlich verschandelt diese die schöne Deutsche Sprache. lächerlich.


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