Illinois verbietet Kerri Rivera, MMS anzubieten
30. Juni 2015 um 2:56 Uhr von Atari-Frosch
NBC 5 Chicago berichtete am 24. Juni, daß die Generalstaatsanwältin von Illinois der bekannten Quacksalberin Kerri Rivera eine „assurance of voluntary compliance“, also quasi eine „freiwillige Selbstverpflichtung“, aufgedrückt hat. In dieser verpflichtet sich Kerri Rivera, im Staat Illinois MMS bzw. Chlordioxid nicht mehr als Medikament gegen Autismus zu bewerben, zu verkaufen oder in Seminaren oder auf Konferenzen sowie ihren Websites anzupreisen. Wenn sie sich nicht daran hält, wird das als Verstoß gegen das dortige Verbraucherschutzgesetz gewertet und kann entsprechend sanktioniert werden.
Nachfolgend meine Übersetzung der Selbstverpflichtung; Original (PDF, leider rein grafisch): Rivera, Fully Executed AVC.
Staat von Illinois
Landkreis von CookIn der Sache der Kerri Rivera
Ermittlung # 2015-HCL-241Freiwillige Selbstverpflichtung
Das VOLK DES STAATES ILLINOIS, [vertreten] durch LISA MADIGAN, Generalstaatsanwältin, und Kerri Rivera persönlich, schließen diese freiwillige Selbstverpflichtung (künftig „AVC“ genannt) gemäß dem Consumer Fraud and Deceptive Business Practices Act (etwa: Gesetz gegen Verbraucherbetrug und irreführende Geschäftspraktiken), 815 ILCS 505/1 ff. (künftig „Verbraucherschutzgesetz“ genannt).
I. LEGITIMATION
- Das VOLK DES STAATES ILLINOIS, [vertreten] durch LISA MADIGAN, Generalstaatsanwältin von Illinois, haben die Autorität, diesen Vertrag zu schließen und zu akzeptieren, gemäß Abschnitt 6.1 des Verbraucherschutzgesetzes.
II. PARTEIEN
- LISA MADIGAN ist derzeit die gewählte Generalstaatsanwältin von Illinois und hat somit die Berechtigung, das Verbraucherschutzgesetz durchzusetzen.
- Kerri Rivera ist eine Person, die den Gebrauch von Chlordioxid als Behandlung für Autismus bewirbt (künftig Verantwortliche genannt).
- [Die] Verantwortliche trägt vor und präsentiert auf Seminaren/Konferenzen und betreibt Websites, auf welchen sie die Benutzung von Chlordioxid als Behandlung für Autismus bewirbt.
III. DEFINITIONEN
- Von dem abgesehen, was hier bereits dargelegt wurde, und solange keine andere Begriffsbedeutung im Kontext erkennbar ist, gelten die Begriffe in diesem AVC entsprechend dem Verbraucherschutzgesetz, Nr. 815 ILCS 505/1 ff.
IV. ANWENDBARKEIT
- Die Bestimmungen in diesem AVC sind anwendbar auf die Verantwortliche, ihre Niederlassungen, Vertreter, Angestellten, alle Personen und Einrichtungen, die mit ihr assoziiert, angegliedert oder verbunden sind sowie alle nachfolgenden Firmen oder Geschäftseinrichtungen.
V. RELEVANTE GESETZLICHE UND REGULATORISCHE BESTIMMUNGEN
- Abschnitt 2 des Verbraucherschutzgesetzes lautet folgendermaßen:
Unfaire Methoden des Wettbewerbs und unfaire oder irreführende Aktionen oder Praktiken, inclusive, aber nicht beschränkt auf, die Nutzung von jeglicher Art von Täuschung, Betrug, falsche Behauptungen, falsche Versprechungen, mißverständliche Darstellung oder Verschleierung, Unterdrückung oder Nichterwähnung von Tatsachen, mit der Intention, daß andere ihnen auf der Basis dieser verschleiernden, unterdrückten oder nicht erwähnten Tatsachen vertrauen, oder die Benutzung oder der Einsatz jeglicher Handelspraktiken, die in Abschnitt 2 des „Einheitlichen Gesetzes zu irreführenden Handelspraktiken“ vom 5. August 1965, werden hiermit für ungesetzlich erkärt, unabhängig davon, ob eine Person tatsächlich in die Irre geführt, betrogen oder geschädigt wurde. Bei der Auslegung dieses Abschnittes sollen die Interpretationen der Federal Trade Commission (Handelskommission des Bundes) und der Handelsgerichte bezüglich Abschnitt 5 (a) des Federal Trade Commission Act (Handelsgesetz des Bundes) berücksichtigt werden.
815 ILCS 505/2.
VI. VORWÜRFE UND FAKTEN
Die Generalstaatsanwältin macht den Vorwurf, daß
- die Verantwortliche Websites inclusive cdautism.org betreibt und bei Seminaren/Konferenzen vorträgt bezüglich der Verwendung von Chlordioxid bei der Behandlung von Autismus.
- die Verantwortliche auf ihren Websites gegen eine Gebühr Beratungen zur Verwendung von Chlordioxid zur Behandlung von Autismus anbietet.
- die Verantwortliche durch das Angebot dieser Dienstleistungen sich im „Handel“ oder „Gewerbe“ entsprechend der Begriffe, wie sie in Abschnitt 1 des Verbraucherschutzgesetzes definiert sind, betätigte.
- die Verantwortliche auf ihren Websites und in ihren Präsentationen unbewiesene medizinische Behauptungen bezüglich der Verwendung von Chlordioxid bei der Behandlung von Autismus aufstellt.
- die Verantwortliche in Wahrheit und Tatsachen kompetente und zuverlässige wissenschaftliche Beweise, welche ihre Behauptung, mit Chlordioxid könne man Autismus behandeln, vermissen läßt.
- die Durchführung der Bewerbung unbewiesener Gesundheits- und medizinischer Behauptungen bezüglich der Verwendung von Chlordioxid in der Behandlung von Autismus durch die Verantwortliche eine Verletzung von Abschnitt 2 des Verbraucherschutzgesetzes darstellt.
VII. VEREINBARUNG, VON UNGESETZLICHEN PRAKTIKEN ABZULASSEN
- HIERMIT WIRD ZUGESTIMMT, daß die Verantwortliche, ihre Niederlassungen, Vertreter, Angestellten und alle Personen, die mit ihr assoziiert, angegliedert oder verbunden sind, sich ab dem Datum dieses AVC an die Abschnitt 2 des Verbraucherschutzgesetzes, 815 ILCS 505/2, hält.
- ES WIRD DES WEITEREN ZUGESTIMMT, daß die Verantwortliche in Seminaren/Konferenzen im Staat Illinois keine Produkte mehr bewirbt oder verkauft, die sich auf die Verwendung von Chlordioxid oder ähnliche Substanzen zur Behandlung von Autismus beziehen.
VIII. AUSFÜHRUNG DER VEREINBARUNG
- Die Parteien sind sich einig, daß dieser AVC nicht als Zustimmung oder Sanktion durch den Staat von Illinois oder die Generalstaatsanwältin von Illinois zu den Geschäftspraktiken der Verantwortlichen gedeutet werden kann. Die Parteien sind weiterhin darüber einig, daß jegliches Versagen des Staates Illinois oder der Generalstaatsanwältin von Illinois dahingehend, Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie Informationen gemäß dieses AVC erhalten, nicht als Zustimmung oder Sanktion zu jeglicher Art von Darstellung dieser Informationen, Handlungen oder Praktiken, auf welche diese Informationen hindeuten, gedeutet werden können. Die Parteien stimmen weiterhin zu, daß dieser AVC zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und der Verantwortlichen eingegangen wird, um die Situation zu lösen, daß diese AVC keine anderen Ämter oder Vertretungen des Staates Illinois bindet; und daß dieser AVC nicht dahingehend gedeutet werden kann oder darf, um irgendeine andere Handlung, sei sie zivil, ermittlungs- oder verwaltungstechnisch, zu lösen oder auszuschließen, die bei einer anderen Behörde oder Vertretung des Staates Illinois anhängig ist oder nachträglich vorgebracht wird.
- Dieser AVC wird abgeschlossen mit dem Wissen, daß die Vorwürfe von Fakten und davon betroffene Gesetze Vorwürfe von Verletzungen des Verbraucherschutzgesetzes darstellen.
IX. Salvatorische Klausel
- Wenn ein Abschnitt, eine Bestimmung oder ein Teil dieses AVC aus irgendwelchen Gründen als ungültig, nicht durchsetzbar oder für nichtig erkannt wird, soll dieser Abschnitt vom Rest abgetrennt werden und nicht die Gültigkeit oder Durchsetzbarkeit der verbleibenden Anteile beeinflussen.
X. [VERTRAGS-]VERLETZUNGEN
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß gemäß Verbraucherschutzgesetz jeglicher Beweis einer Verletzung einer der Vorgaben dieser AVC als Anscheinsbeweis einer Verletzung des Verbraucherschutzgesetzes bei jeglichem späteren Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft des Staates Illinois gegen die Verantwortliche angesehen wird. Es herrscht weiterhin Einigkeit darüber, daß die Generalstaatsanwaltschaft üblicherweise das Recht hat, angemessene Maßnahmen zu beantragen, um diese Vereinbarung durchzusetzen.
XI. INKRAFTTRETEN
- Dieser AVC tritt nach Unterzeichnung durch die Parteien sofort in Kraft.
XII. Autorisierung
- Die unterzeichnenden Vertreter für jede Partei bestätigt, daß sie/er von der Partei, die sie/er repräsentiert, vollumfänglich autorisiert ist, um in die Bedingungen dieses AVC einzutreten und die Partei, die sie/er vertritt, rechtlich an diesen AVC zu binden.
DAS VOLK DES STAATES ILLINOIS,
[vertreten] durch LISA MADIGAN,
GENERALSTAATSANWÄLTIN VON ILLINOISDURCH: [Unterschrift] RAYMOND THRELKELD
Leiter des GesundheitsamtesVERANTWORTLICHE
KERRI RIVERA
DURCH: [Unterschrift] KERRI RIVERA
DURCH: [Unterschrift] STEVE PERNICK
Rechtsanwalt für Kerri RiveraLISA MADIGAN
Generalstaatsanwältin von IllinoisRaymond Threlkeld, Leiter
des GesundheitsamtesJudith M. Parker. AAG
Gesundheitsamt
100 West Randolph Street, 12. Etage
Chicago, Illinois 60601
312-814-3717
[Update 2015-06-30 14:48] Einige einfache Korrekturen am übersetzten Text durchgeführt. [/Update]
Und jetzt das ganze nochmal zusammengefaßt und allgemein verständlich:
- Die Generalstaatsanwältin von Illinois stellt fest, daß Frau Rivera mit Chlordioxid ein Mittel zur Behandlung von Autismus anbietet, für dessen Wirkung sie keinerlei Beweise erbringen kann. Frau Rivera preist diese Chemikalie auf Seminaren, Konferenzen und verschiedenen Websites an. Außerdem offeriert sie auch kostenpflichtige Beratungen zu Chlordioxid als Mittel gegen Autismus.
- Die Generalstaatsanwältin stellt fest, daß Frau Rivera damit gegen das Verbraucherschutzgesetz des Staates Illinois verstößt.
- Frau Rivera verpflichtet sich dazu, sich an das Verbraucherschutzgesetz des Staates Illinois zu halten. Das bedeutet, daß sie ab Unterzeichnung der Selbstverpflichtung Chlordioxid als Mittel zur Behandlung von Autismus in Illinois nicht mehr anbieten, auf Seminaren, Konferenzen oder Websites präsentieren und natürlich auch nicht verkaufen wird.
- Hält sich Frau Rivera nicht an diese Verpflichtung und die Generalstaatsanwaltschaft von Illinois erfährt davon, dann wird das wie ein direkter Verstoß gegen das Verbraucherschutzgesetz von Illinois gewertet und kann entsprechend geahndet werden.
Das ist doch mal ein guter Anfang. Dem Artikel von NBC 5, State Takes Action Against „Miracle Treatment“ For Children, nach wurde diese Selbstverpflichtung wohl Ende Mai unterzeichnet. (Das Video in dem Artikel läuft bei mir nicht, nur der Werbeblock davor kann angesehen werden; möglicherweise ist hier Geoblocking im Einsatz.)
Etwa zu dieser Zeit fiel auf, daß die Websites von Frau Rivera plötzlich allesamt nicht mehr zugänglich waren. So ein Zufall.
Das Verkaufsverbot gilt jetzt allerdings erst einmal nur im US-amerikanischen Bundesstaat Illinois. Frau Rivera wohnt mittlerweile in Mexico, also gar nicht mehr im Bereich der Jurisdiktion der USA oder einer ihrer Bundesstaaten. Ihr stehen also theoretisch noch alle anderen US-amerikanischen Bundesstaaten für ihre Präsentationen offen. Ob der Bundesstaatsanwalt der USA ihr eine ähnliche Selbstverpflichtung aufdrücken kann bzw. ob es auf der Ebene überhaupt passende Gesetze gibt, kann ich nicht beurteilen; wünschenswert wäre es. Alternativ könnte der Bundesanwalt natürlich auch direkt mit den Ermittlungen anfangen.
Nicht davon betroffen dürfte der MMS-Papst Jim Humble mit seiner „Church of Genesis II“ sein. Findige Rechtsanwälte können ermittelnde Staatsanwälte und Richter möglicherweise davon überzeugen, daß er mit Frau Rivera nicht im Sinne der Selbstverpflichtung in Verbindung steht. Das heißt, der primäre Verdiener an der ganzen Sache bleibt dadurch vermutlich noch (?) unbehelligt. Es wird Zeit, auch die Wurzel dieses Übels auszureißen.