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Maschinenpistolen

21. Dezember 2016 um 20:42 Uhr von Atari-Frosch

Nach dem vorgestrigen mutmaßlichen Anschlag am Berliner Breitscheidplatz, wo ein Sattelschlepper mit 40 Tonnen in einen Weihnachtsmarkt gelenkt worden war und (nach derzeitigem Stand) 12 Menschen getötet und über 50 verletzt hatte, schien gestern ungefähr jede fünfte Meldung im Polizeiticker das Thema „Sicherheit unseres lokalen Weihnachtsmarktes“ zu sein. Insbesondere wurde in einem Teil dieser Meldungen berichtet, daß die Polizisten, welche die Märkte bewachen, jetzt teilweise mit Maschinenpistolen ausgerüstet seien. Daraufhin fragte ich meine Follower auf Twitter: Fühlt Ihr Euch sicherer, wenn Polizisten mit offen getragenen Maschinenpistolen rumlaufen?

Dieselbe Frage stellte ich auch auf Google Plus, und das Ergebnis ist noch deutlicher:

Fühlt Ihr Euch sicherer, wenn Polizisten mit offen getragenen Maschinenpistolen rumlaufen? – Antworten: Ja 0 %, Nein 100 %

Auf Twitter antworteten 16 Personen binnen 24 Stunden, davon sagte nur eine einzige Person = 6 % Ja, sie fühlt sich sicherer, und 15 Personen = 94 % antworteten, nein, sie fühlten sich nicht sicherer.

Auf Google Plus antworteten 38 Personen, und hier antwortete gar keiner mit Ja, also alle mit Nein. Ein Kommentator bemängelte, daß ich keine Enthaltungsmöglichkeit angeboten hatte. Ja, mein Fehler.

Es wäre vielleicht sogar noch sinnvoll gewesen, explizit danach zu fragen, ob sich Leute unsicherer fühlen, denn darauf hatte ich es eigentlich abgesehen gehabt. OK, ich mach ja nicht ständig Umfragen, also verzeiht mir bitte die Nachlässigkeiten 😉

Mir war ja von vornherein klar, daß diese beiden Umfragen Statistikern nicht mal ein müdes Lächeln abringen werden. Trotzdem finde ich die Klarheit der Ergebnisse beeindruckend: Kaum jemand fühlt sich sicherer, wenn Polizisten mit Maschinenpistolen herumlaufen.

Gefragt hatte ich, weil es mir genauso geht (zur Klarstellung: Ich habe in beiden Abstimmungen nicht mitgestimmt). Mehr noch: Ich fühle mich in der Gegenwart von – insbesondere, aber nicht nur offen getragenen – Schußwaffen generell sehr unwohl, ich werde unruhig und würde am liebsten weglaufen. Dabei kommt es absolut nicht darauf an, wer die Waffe trägt und mit welcher Intention.

Eine meiner ältesten Erinnerungen dürfte dazu beigetragen haben: Ich muß wohl jünger als oder maximal 5 Jahre gewesen sein, als mein Vater Besuch von einem Bekannten bekam. Der war Polizist und kam nach dem Dienst, aber noch in Uniform und mit Dienstwaffe zu uns. Mein Vater blaffte ihn noch vor der Wohnungstüre an, daß hier ein kleines Kind rumläuft und er daher die Schußwaffe nicht in seiner Wohnung dulden werde. Der Bekannte zog daraufhin ab, und ich meine, daß er sich danach nie mehr hat sehen lassen.

Verstärkt wurde bei mir diese Abneigung gegen Schußwaffen durch – nicht lachen – eine Fernsehserie, die ich gerade derzeit wieder von DVD schaue: MacGyver. Die Folge, welche erklärt, warum sich MacGyver strikt weigert, mit Schußwaffen zu schießen oder auch nur damit zu drohen, brachte den Produzenten damals offenbar massive Kritik der National Rifle Association (NRA), dem US-amerikanischen Waffenbesitzer-Verein, ein. Aus gutem Grund: In dieser Folge spielen der junge MacGyver und drei Freunde mit einer geladenen Pistole und schießen zunächst auf Gegenstände. Als einer der Jungen auf einen Vogel zielt, schlägt ihm MacGyver die Waffe aus der Hand, die schlägt ungesichert auf dem Boden auf und es löst sich ein Schuß. Die Kugel verletzt einen der anderen Jungen tödlich.

Wikipedia sagt dazu:

Zu den ausführenden Produzenten gehörte von Serienbeginn an Stephen Downing, der vor seiner Arbeit für die Serie 20 Jahre lang Polizist in Los Angeles war. Er nutzte die Serie, um angesichts der in den USA immens hohen Zahl von Todesfällen durch Handfeuerwaffen gegen deren Benutzung einzutreten. Dazu dienten ihm die Episoden Blutsbrüder (Staffel 4), in der sich MacGyver an den schusswaffenbedingten Tod eines seiner Kindheitsfreunde erinnert, und Eine Waffe mit Vergangenheit (Staffel 6). In der zweitgenannten Episode geht es um einen Revolver, der – ähnlich wie im Mordfall Robert F. Kennedy – vor 20 Jahren einen Senator getötet hat und der, wie in den USA üblich, danach durch eine Polizeiauktion wieder in Umlauf gelangte.

(Quelle: MacGyver, Abschnitt „Produktion“; letzte Änderung der gesamten Seite: 20. November 2016 um 23:48 Uhr)

Bei keiner anderen Waffenart habe ich (ohne damit bedroht zu werden) solche Fluchttendenzen: Ein Polizeiknüppel macht mir keine Angst. Ein Messer ebenfalls nicht. Denn das sind generell Nahkampfwaffen, auch wenn man damit natürlich auch hinterrücks angegriffen werden kann.

Interessant ist ein anderer Kommentar in meiner Umfrage auf Google Plus:

+Ingo Heinscher Selbst ohne den Polizisten irgendwas zu unterstellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Unfall mit diesen Waffen gibt, ist höher, als mit einer Faustfeuerwaffe.

Ganz unabhängig davon:

Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) sagt ganz richtig:

Natürlich. Denn was hilft es, auf den Fahrer oder in die Reifen eines schweren LKWs zu schießen, wenn der LKW in voller Fahrt ist und dann erst recht nicht mehr kontrolliert oder gebremst werden kann, nicht mal mehr vom Fahrer selbst? Dann werden wohl kaum weniger Menschen verletzt werden, oder? Wie lange dauert es, bis ein LKW zum Stehen kommt, wenn der Fahrer ihn nicht mehr kontrollieren kann, entweder weil er verletzt/getötet wurde oder weil das Fahrzeug wegen des/der zerschossenen Reifen(s) nicht mehr kontrollierbar ist?

Eben.

Der Fahndungsaufruf nach dem derzeitigen Tatverdächtigen ist übrigens beim Bundeskriminalamt zu finden: Fahndungsaufruf Amri, Anis.


History

7 Kommentare zu “Maschinenpistolen”

  1. Felix Müller quakte:

    Der Attentäter von Nizza wurde durch Schüsse ins Führerhaus getötet und konnte so an seiner Weiterfahrt gehindert werden.


  2. Hans Bonfigt quakte:

    Gut erinnere ich mich noch an den Fall, daß ein Bundeswehrhauptmann mit einem Maschinengewehr auf einen Werbezeppelin schoß.

    Und manchmal, wenn mir zum Beispiel eine Horde Fußballproleten entgegenschwappt, muß ich immer daran denken, daß es eine MP7 mit 300-Schuß-Magazin gibt.
    Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein ganz oben im Grundgesetz garantiertes Recht. Aber hat man das immer so verinnerlicht, wenn man vor dem Gerry-Weber – Stadion steht und eine Meute von Käßmann-Anhängern quetscht sich heraus?
    Also, ich denke da oft an F.J. Degenhardt, „Ja, ich hab‘ sie noch, im Fadenkreuz, die Wohnungstür, diesmal Lodenröcke, diesesmal, da lauern wir. Ich blas‘ euch Halali, kommt, ist Feierabendzeit — und, ich bin bereit“…
    Nun läuft man gottseidank nicht immer mit einer Maschinenpistole herum und, schöner noch, auch die Begegnungen mit Käßmann-Jüngern sind nicht alltäglich.
    Aber wenn man allen Polizisten so ein Gerät in die Hand gibt … Gelegenheit macht Diebe. Oder so.


  3. Richard quakte:

    MP7 mit 300-Schuß-Magazin? Wo haben Sie das denn her? Aus Wikipedia bzw. von Heckler und Koch jedenfalls nicht. Wissen Sie wie schwer und unhandlich so ein Ding dadurch wird? Da gibt es 20er, 30er, 40er Magazine mehr nicht. Die Polizei hier unter Generalverdacht zu stellen ist ziemlich absurd.


  4. Hans Bonfigt quakte:

    Unsere Nachbarin arbeitet mit Produkten von HK, die sollte es eigentlich wissen. Für die MP5 gab es definitiv ein großes Magazin.
    Und natürlich stelle ich sämtliche Polizisten unter Generalverdacht. Kameradendiebstahl, ekliges Mobbing, Kumpanei zuungunsten armer Teufel, Verwüstung von Hotelunterkünften:
    Das sind nicht die Merkmale, die auf einen Charakter schließen lassen, welcher für das Führen einer derart gefährlichen Waffe geeignet ist.
    Wobei mir die armen Schweine ja fast leidtun: Für ein minimales Gehalt im Fokus der Verachtung seiner Mitbürger zu stehen, sich jederzeit Verletzungen zufügen zu lassen und beim kleinsten Fehler mit übelsten Konsequenzen rechnen zu müssen.

    Zum Thema zurück: Ich fühle mich unsicher, wenn überall junge Leute mit Maschinenpistolen herumstehen. Sicherheit könnte dadurch erreicht werden, indem Mobilität und Kommunikation von nicht anerkannten Asylbewerbern unterbunden wird.


  5. Katrina Reichert quakte:

    Ne ungefähr Schuhkarton-große Kiste, auf die man oben ne MP7 draufstecken kann?
    Seems legit.

    Ich fühle mich jedenfalls nicht sicherer, wenn die Polizei derartig übertrieben aufrüstet.
    Und mein Mitleid mit denen hält sich in engen Grenzen, solange die Polizei nicht mal was gegen ihr Transfeindlichkeitsproblem macht.


  6. Polizei, Staat und Gewalt | Blauer Bote Magazin quakte:

    […] Maschinenpistolen 21.12.2016, 21:00 Uhr. Froschs Blog – blog.atari-frosch.de – Nach dem vorgestrigen […]


  7. Katharina quakte:

    Auch wenn der Anschlag jetzt einige Tage vorbei ist und die nächste Weihnachtszeit noch etwas auf sich warten lässt. Es ist ja eine grundsätzliche Frage, ich jedenfalls komme mit den Abstimm Ergebnissen übereinn und fühle mich auch nicht sicherer und auch die Attentäter werden sich vermutlich davon nicht abschrecken lassen.

    [Werbenden URL aus dem Homepage-Feld entfernt, bitte die Kommentarregeln beachten. –Frosch]


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