Vortanzen beim ARGE
29. Mai 2017 um 0:12 Uhr von Atari-Frosch
Donnerstag Vortanzen beim ARGE. Kreisende Gedanken schon seit gestern. Immer wieder dieselbe Scheiße. #hartz4
— Atari-Frosch (@AtariFrosch) May 28, 2017
Da ich ja nun wieder im Hartz-IV-Bezug bin, eingestuft als „voll erwerbsfähig“, heißt das auch, daß ich mich „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen“ soll. Für Donnerstag habe ich eine Vorladung (euphemistisch immer schön als „Einladung“ bezeichnet) erhalten, natürlich mit der üblichen Sanktionsdrohung, falls ich es wagen sollte, nicht aufzutauchen und dafür keine gnädigerweise anerkannte Entschuldigung vorweisen zu können.
Ja, und damit geht es wieder los. Wie jedesmal.
Das heißt, kreisende Gedanken, sobald der Termin näherrückt. Die Vorladung kam relativ kurzfristig, nämlich nur eine Woche vorher; vor der Zwangsverrentung, als ich noch als Aufstocker eingeordnet war, kamen Vorladungen mit größerem Abstand zum Termin. Aber nun gelte ich nicht mehr als Aufstocker, obwohl unsere Firma Nerd4U natürlich weiterhin existiert.
Nun soll ich also Bewerbungsunterlagen vorlegen. Sehr witzig. Ich werde nächsten Monat 49 Jahre alt, habe offiziell seit bald 20 Jahren nirgendwo mehr „gearbeitet“, und was ich mir selbst an Kenntnissen angeeignet habe, kann ich nicht auf Papier nachweisen. Ja, und eigentlich habe ich ja meinen Arbeitsplatz. Der wirft nur noch nichts ab.
Ich rate jetzt mal: Da ich aus Nerd4U noch keine Gewinne ziehen kann, wird es als Hobby angesehen werden (auch wenn das Finanzamt das sicher anders sieht). Ergo wird man meine knappen Ressourcen damit verbraten wollen, mich entweder zu sinnfreien Bewerbungen zu zwingen oder mich in einen noch sinnfreieren Vollzeit-Kurs zu stopfen. Das würde nicht nur dazu führen, daß ich für Nerd4U keine Zeit mehr hätte – was sicher eher nicht dazu beitrüge, diesen selbst gewählten Arbeitsplatz dauerhaft abzusichern und daraus irgendwann Gewinne abzugreifen, um vom ARGE unabhängig zu werden. Es würde auch früher oder später zu Dauer-Overloads führen. Und dann kann ich auf den Meltdown (die „aggressive“ Variante eines Zusammenbruchs, wird oft mit Wutanfällen verwechselt) warten. Und dann bin ich wieder die Böse.
Aber das sind natürlich nur Spekulationen und haben so überhaupt nichts mit meinen bisherigen Erfahrungen mit dem Amt für Repression, Grundrechtsentzug und Existenzvernichtung (ARGE) zu tun, nech?
Worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, wie es mir bei solchen Terminen geht.
Wenn die Repressionsämter von Düsseldorf in den nun bald 17 Jahren, die ich hier lebe, eines erreicht haben, dann eine Traumatisierung durch ihre hemmungslose, systematische Menschenverachtung und ihren gnadenlos angewandten Faschismus. Eine Wohnung haben sie mir genommen, und bei der jetzigen haben sie es schon mehrfach versucht, sie mir zu nehmen. Sie trieben mich 2004 in die Suizidalität (mit einem zum Glück nicht so massiven Nachklapp 2014) und verpaßten mir von 2002 bis letztes Jahr, also über 15 Jahre lang, teils massive Depressionen. Sie verschwiegen mir meine Rechte, ließen meine Unterlagen verschwinden und verhöhnten mich. Sie belogen mich, und sie belogen Dritte – selbst Gerichte – über mich, immer und immer wieder. Sie nötigten mich zu Lügen und versuchten, mich zu einer Straftat gegen die Firma Nerd4U zu nötigen. Sie sprachen mir gleich anfangs explizit die Grundrechte ab und zeigten mir dann über diese ganzen Jahre hinweg, daß sie das auch wirklich so meinten.
Wie geht es mir also, wenn ich wieder einmal vorgeladen werde?
Ich habe Existenzangst.
Wenn ich ängstlich-nervös bin, rede ich manchmal sehr viel. Ich versuche von vorneherein zu erklären, warum bei mir Dinge anders funktionieren. Warum ich nicht in diese ganzen Schubladen passe. Was Druck mit mir macht. Und meist kommt der Overload schon vor oder während dieser Termine, so massiv, daß es mir teilweise mit dem nachfolgenden Shutdown die Sprache weghaut. Wenn ich „Glück“ habe, kommt der erst hinterher. In beiden Fällen kann er mich mehrere Tage kosten, die ich zur Erholung benötige.
Nach außen hin wirke ich dann vermutlich ziemlich aggressiv, und das tut mir auch überhaupt nicht leid. Die Aggression ging und geht von diesen Behörden aus, in aller Freundlichkeit, wenn sie wieder einmal mit einer Existenzvernichtung drohen oder in aller Selbstverständlichkeit Straftaten begehen. Mich anlügen, obwohl sie es wissen (müssen), daß sie lügen. Sich einreden, daß sie doch nur ihre Pflicht tun. Und sich damit trösten, daß sie damit ja ihren eigenen Arsch im Warmen haben, solange sie nur genügend lügen, Leistungen entziehen, drohen, schikanieren, Rechte verschweigen und eingereichte Unterlagen gelegentlich durch den Schredder jagen. Oder eben auch mal die zynisch „Kunden“ genannten Opfer zu einer Lüge oder Straftat nötigen.
Ihre eigene Aggression sehen sie nicht, denn sie haben ja ein Lächeln im Gesicht und einen freundlichen Tonfall. Einen ekelhaft scheißfreundlichen Tonfall, denn sie wissen, was sie tun, auch wenn sie vor ihrem eigenen Handeln und den Konsequenzen daraus die Augen verschließen.
Nennt mich von mir aus einen Angstbeißer. Es liegt an den Repressionsämtern bzw. ihren Angestellten, mein Vertrauen wieder (bzw. überhaupt erst einmal) zu gewinnen. Sie haben so viel Schaden angerichtet, mir so viel Geld, so viel an Gesundheit, so viele Jahre lang die Arbeitsfähigkeit und schließlich diese ganzen Jahre an Leben gestohlen, daß ich nicht glaube, ihnen noch irgendetwas zu schulden. Schon gar kein Vertrauen. Im Gegenteil schulden sie mir was. Sogar sehr viel. (Das ist dann immer der Punkt, an denen den Sachbearbeitern die Ohren auf Durchzug gehen. Kann ich gar nicht verstehen, sowas *hüstel*.)
Und dann wird in diesem Termin irgendwann die „Vorschlag“ genannte Nötigung kommen, etwas zu tun, was ich nicht will, nicht wollen muß (wie bei der versuchten Zwangsverrentung), oder gegen meine Grundrechte verstößt – wie kann ich auch immer wieder vergessen, daß diese für mich gar nicht mehr gelten? Und wenn ich nicht will oder kann, wird's mir halt per Verwaltungsakt reingedrückt.
Ich habe mir nach Art. 12 GG meinen Beruf und meinen Arbeitsplatz frei gewählt: Ich bin mitarbeitender Gesellschafter der Firma Nerd4U UG. Art. 12 Abs. 2 und 3 untersagen es dem Staat und seinen Behörden, mich zu einer bestimmten Arbeit zu zwingen – allgemeine Dienstpflicht greift nicht, und im Gefängnis befinde ich mich meines Wissens nach auch nicht. Dem ARGE ist das üblicherweise egal. Das SGB – also das Zwangsarbeits- und Zwangsverarmungsgesetz – sagt es ja schließlich so. Wer braucht da schon Grundrechte?
Und ja, ich gelte als „voll erwerbsfähig“ – die Ärztin, die das im Rahmen des Gerichtsverfahrens wegen der Zwangsverrentung festgestellt hatte, hatte es wohl ein wenig zu gut gemeint. Ich hatte ihr gesagt, daß es eher auf Teilzeit hinauslaufen würde. Aber gut. Ich hatte ihr auch gesagt, daß meine Arbeitszeiten nicht dem üblichen Schema in einer Firma entsprechen. Daß ich mal 10 Stunden oder länger an einem Problem dran bin und dann mal wieder zwei Tage gar nichts machen kann, weil die Konzentration fehlt.
ARGE-Angestellte gehen ja aber grundsätzlich davon aus, daß „Kunden“ lügen oder übertreiben, wenn sie auf Einschränkungen aufmerksam machen (so ist das halt, wenn man von sich auf andere schließt) und eigentlich nur keinen Bock hätten. Selbst wenn ich eine ärztliche Autismus-Diagnose hätte, würde sich daran vermutlich kaum etwas ändern. Sie wissen ja nichts von Autismus, wollen es auch gar nicht wissen – denn dann müßte man ja vielleicht Rücksicht nehmen. Geht doch nicht, wir brauchen schöne Statistiken.
(Wobei mir letztens von einem Menschen berichtet wurde, daß bei ihm Autismus vermutet worden war. Worauf er von seinem zuständigen ARGE-Mitarbeiter gedrängt wurde, sich die Diagnose zu „besorgen“ in der Hoffnung, er könne den „Kunden“ dann in einen Job bei SAP drücken, die ja explizit Autisten für bestimmte Aufgaben einstellen bzw. das zumindest mal gemacht haben. Klar, weil man sich so eine Diagnose „mal eben besorgen“ kann …)
Ja, und so drehen sich meine Gedanken nahezu ununterbrochen um diesen Termin, ich lege mir Sätze zurecht und verwerfe sie wieder, ich weiß, daß ich wieder „aggressiv“ sein werde und daß der Overload folgen wird. Ich weiß, daß das Wort „Grundrechte“ mich noch höher auf die Schwarze Liste bringen wird, auf die Liste derer, die bevorzugt abzuschießen sind, denn das ARGE ist grundrechtsfreie Zone. War es von Anfang an.
Ach, es ist so zum KOTZEN. 🙁
[Update 2017-06-01 17:15] Eine ganz neue Erfahrung: Ein relativ junger Mitarbeiter, ruhig, der zuhörte, ohne ständig was von Pflichten dazwischenzufaseln, und der es absolut OK findet, daß ich mir meinen Arbeitsplatz selbst schaffe. Das nächste halbe Jahr soll ich Ruhe haben.
Über das, was ich ihm über meine Erlebnisse der letzten paar Jahre erzählt habe, schien er schon ein wenig erschrocken. Der ist wohl noch nicht lange da. Hoffentlich bleibt ihm seine Menschenfreundlichkeit erhalten, nicht daß sie den armen Kerl dort asozialisieren. [/Update]
30. Mai 2017 at 15:40
Naja, wenn du nicht konstant in der Lage bist fünf Tage in der Woche drei Stunden oder mehr zu arbeiten, dann parken die dich in der EU-Rente.
31. Mai 2017 at 23:36
„Mal ausrechnen, wie groß der Schaden in € ist, den das Jobcenter allein bei mir angerichtet hat“ steht sein Ewigkeiten auf der Liste „Irgendwann mal bloggen“ bei mir. Da würde ich natürlich nicht nur die widerrechtlich vorenthaltenen Sozialleistungen berechnen. Dazu käme die Arbeitszeit für Bürokratie und Klagen, die Zeit für unerwünschte Fortbildung (Paragrafengoogeln etc. etc.), Schmerzensgeld, Entschädigung für das Zerstörungswerk an der Biografie, ich würde auch berechnen, was ich in der Zeit stattdessen an sinnvollen Dingen hätte tun können – da kommt ne Stange zusammen, und das steht in keinem Verhältnis zu der Summe, die das Jobcenter eingespart hat und die eh zum großen Teil oder vollständig bei den Prozessen auch auf deren Seite wieder verbraten wurde.
1. Juni 2017 at 17:14
@Christel – ohja, so eine Rechnung wäre spannend. Die Gebühren für geplatzte Lastschriften oder Kosten für zusätzlich nötige ÖPNV-Nutzung sind eindeutig, aber relativ gering. Schon die Stundensätze für unnötig aufgebürdete Arbeit könnten strittig werden. Bei nicht materiellen Schäden wie Schmerzensgeld, nicht gemachte Berufserfahrungen, oder, wie Du es nennst, zerstörte Biografie kann man dann nur noch glaskugeln. Insofern kann eine Gegenrechnung zu irgendwelchen ARGE-Rechnungen nie konkret werden. Das wissen die halt auch, abgesehen davon, daß sie eh nie irgendwelche Konsequenzen tragen müssen.
2. Juni 2017 at 20:36
@atarifrosch Ja, den Betrag ersetzt zu bekommen, das können wir uns schenken. Selbst für die geringen Bestandteile der Gesamtsumme, für die tatsächlich Klagemöglichkeiten da sind (etwa über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch), würde ich offen sagen, daß diese Klagemöglichkeiten eine Verarsche sind, weil sie grundsätzlich einen Aufwand erfordern, der bei einem Vielfachen der Summe liegt, die man sich damit zurückholen kann. Mit solchen „Klagemöglichkeiten“ ist nicht die realistische Erwartung verbunden, daß Erwerbslose eine Möglichkeit haben, irgendwie an ihr Recht zu kommen, sondern damit werden Erwerbslose „angestupst“ lieber an die Suche nach einem Ausbeutungsplatz zu denken und auf die paar wenigen Rechte zu verzichten, die wir noch haben.