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Im Netz aufgefischt #396

23. Dezember 2018 um 11:00 Uhr von Atari-Frosch

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4 Kommentare zu “Im Netz aufgefischt #396”

  1. Daniel Rehbein quakte:

    Diese Bemerkung, daß man nicht „Beziehungsdrama“ sagen soll, sondern „Mord“ oder „Totschlag“ habe ich in letzter Zeit öfter gelesen. Da ist ein Mensch von einem (ehemals) geliebten anderen Menschen umgebracht worden, meistens nach einer längeren und zermürbenden Vorgeschichte, und dann soll das ganze eingedampft werden auf einen solchen juristischen und gefühlskalten Fachbegriff wie „Mord“ oder „Totschlag“?

    Bestenfalls denkt man bei „Mord“ und „Totschlag“ an einen Fernsehkrimi. Ein Mensch ist ermordet worden, die Polizei ermittelt. Ein eifriger Kommissar geht verschiedenen Spuren nach, trägt Zeugenaussagen und Indizien zusammen, überführt schließlich den Täter. Wenn der Täter gefasst ist, lachen wieder alle fröhlich. Die Welt ist wieder in Ordnung, danach kommt der Abspann.

    Das wird doch dem Problem der Beziehungsgewalt in keinster Weise gerecht! Es geht doch nicht um ein Einzelereignis, ein einzelnes Tötungsdelikt. Sondern meistens handelt es sich um ein längeres Martyrium, an dessen Ende als trauriger Zuspitzung der Mord steht.

    Häufig fängt es damit an, daß zwei Menschen glauben, sie wären füreinander die große Liebe. Beide sind glücklich, es soll für immer sein, der Himmel hängt voller rosa Wolken. Wenn die Liebe dann in den Alltag übergeht, entpuppt sich einer der Partner als gewalttätig (eifersüchtig, jähzorning, etc). Der andere Partner glaubt immer noch an die ewige Beziehung. Er sucht die Schuld bei sich selbst, will die Beziehung retten. Nach vielen Jahren der Gewalt, des Versteckens der Verletzungen vor Freunden und Nachbarn, des Sich-Schön-Redens und des Sich-Klein-Machens kommt dann endlich doch der Entschluss, die Beziehung zu verlassen. Es taucht wieder eine neue Perspektive auf, eine glückliche Zukunft ohne den gewalttätigen Partner. Doch der gewalttätige Partner dreht jetzt ganz durch, wird zum Mörder. Und so folgt auf ein langes Martyrium einer gewalttätigen Partnerschaft nicht eine befreite Zukunft, sondern der Tot.

    Wenn ich von dem allen nur das Einzelereignis „Mord“ oder „Totschlag“ betrachte, ignoriere ich die komplette gesellschaftliche Problem der Beziehungsgewalt. Ich reduziere es auf ein singuläres Ereignis, auf ein einzelnes Tötungsdelikt, auf etwas ganz und gar bürokratisches: Ein Mensch ist umgebracht worden, die Polizei ermittelt, man wird Unterlagen lochen und abheften. Die Welt ist wieder in Ordnung.

    Dabei ist nichts in Ordnung! beziehungsgewalt ist ein singuläres Ereignis, keine einzelne Tat. Sondern sie ist ein gesellschaftliches Problem, und sie erfolgt in der Regel über Zeiträume von Jahren. Und deshalb sollte man es auch korrekt benennen mit dem Begriff „Drama“. Nur mit diesem Begriff wird veranschaulicht, welche Ausmaße und vor allem welche zeitlichen Dimensionen das Problem „Beziehungsgewalt“ für jeden einzelnen Betroffenen hat.

    Das Kleinreden und das Reduzieren auf juristische Fachbegriffe bringt uns nicht weiter.


  2. Daniel Rehbein quakte:

    Ich sehe gerade, ich habe mich im Eifer der Emotionen im vorletzten Absatz verschrieben: Es soll heißen „Beziehungsgewalt ist kein singuläres Ereignis, keine einzelne Tat“.

    „kein“, nicht „ein“ – ein kleiner Buchstabe, der doch so bedeutsam ist.


  3. Atari-Frosch quakte:

    @Daniel: Die Probleme sind zum einen das Wort „Drama“ und zum anderen dessen Verwendung nur in bestimmten familiären Zusammenhängen. Ohne juristische Begriffe bleiben immer noch „häusliche Gewalt“ oder „Beziehungsgewalt“. In Polizeimeldungen hat das Wort bzw. der Wortteil Drama eigentlich nix zu suchen. Die sollen trocken sein. Bei „häuslicher Gewalt“ sollte allgemein bekannt sein, daß das eher selten nur ein einzelner Vorgang ist. Wenn die Polizei hinzu gerufen wird, ist üblicherweise die Kacke schon länger am Dampfen.

    Bei dem Ausdruck „Beziehungsdrama“ denke ich zuerst an die BILD, die aus allem Negativen ein Drama macht, und ich kann nur vermuten, daß die Polizeipresseleute tatsächlich dort oder aus entsprechenden Medien diesen Ausdruck hergenommen haben. Mir klingt das einfach zu sehr nach Boulevard-Presse, der in Polizei-Pressemeldungen fehl am Platze ist. Mittlerweile wird in einem zunehmenden Anteil der Pressemeldungen damit anders umgegangen, und das sehe ich durchaus positiv.

    Das ausführlichere Narrativ, Hintergründe, die Vorgeschichte, eine Analyse usw. zu liefern ist eher nicht Aufgabe der Polizei – nicht nur bei dieser Art von Meldungen. Das ist bzw. wäre Aufgabe von Journalisten, die bei der Polizei und ggf. weiteren Zeugen nachhaken und dann die Geschichte erzählen, soweit das unter Berücksichtigung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten möglich ist. Die andere Seite ist dann wieder, ob das wirklich so gut ist, das ganze Geschehen aus einer einzelnen Partnerschaft oder Familie ausführlich öffentlich auszuwalzen, und ob das mehr bringt, als Voyeurismus zu befriedigen.


  4. Daniel Rehbein quakte:

    Daß die Bild-Zeitung die Redewendung „Aus etwas ein Drama machen“ erfüllt, sollte uns doch nicht darin hindern, das völlig zutreffende Wort „Drama“ für die Beschreibung schrecklicher Ereignisse, die über einen längeren Zeitraum andauern und eine Entwicklung haben, zu verwenden.

    Gerade die Tatsache, daß wir diese Redewendung in der deutschen Sprache haben, zeigt doch, daß dies das richtige Wort für die Beschreibung von zutiefst furchtbaren Vorkommen ist. Wir sollten uns die Deutungshoheit über die Wörter der deutschen Sprache nicht von der Bild-Zeitung aus der Hand nehmen lassen! Es darf doch nicht sein, daß uns die Boulevardpresse Wörter quasi wegnimmt!

    Es passt wohl tatsächlich nicht zur Nüchternheit einer Polizeimeldung, die ja wirklich nur das einzelne Tötungsdelikt beschreibt. Aber in der Presseberichterstattung (nicht in der Boulevardpresse, sondern in der seriösen Presse) sind die Wörter „Familiendrama“ oder „Beziehungsdrama“ genau richtig, um das Ausmaß von Beziehungsgewalt zu beschreiben.


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