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„Die Zerstörung der CDU“ von @rezomusik

23. Mai 2019 um 14:55 Uhr von Atari-Frosch

Gestern Abend und damit mit einigen Tagen Verspätung habe ich mir das Video Die Zerstörung der CDU von @rezomusik reingezogen, und was mich dabei vor allem fasziniert, ist die Präsentationsmethode.

Denn: Eigentlich wußten wir das alles. Oder konnten es zumindest wissen, denn alle Quellen, die Rezo verwendet, sind öffentlich.

Und ein Teil der Menschen in Deutschland hat das sicher auch reflektiert. Das eine Thema mehr, das andere weniger. Trotzdem gab es keine ernsthaften Diskussionen darüber. Mal ein Lacher hier über die Inkompetenz – gerade der Spruch von Mortler, daß Cannabis verboten sei, weil es illegal ist, ging ja herum –, mal Erschrecken über „Collateral Damage“, das Video aus dem Kampfhubschrauber, das Rezo nur angedeutet hat. Aber immer nur kurz, und im allgemeinen ohne nachhaltige Auswirkungen.

Was hat Rezo jetzt anders gemacht? Warum knallt das Video so rein?

Zum einen: Er hat die Informationen verdichtet. Nicht so sehr, weil er so schnell spricht. Statt häppchenweise wie in Nachrichtensendungen hat er uns mit vielen Informationen am Stück beworfen, was vor allem CDU/CSU und SPD so angerichtet haben. Dabei wies er noch mit Stichworten darauf hin, was da noch alles war. Er sagte, er habe die anderen Themen rausgeschnitten, weil das Video eh schon so lang war. Das heißt: Er hat noch mehr Material zusammengetragen. Ich wäre ja für einen Teil 2, und wenn dann immer noch was übrig ist, eben noch einen Teil 3.

Zum anderen: Er hat den Zuschauern mit der Art der Erzählung die reinen Informationen näher in ihre Lebenswelt gebracht. Wo Nachrichtensendungen, Nachrichten-Agenturen und Zeitungen nur unpersönlich berichten (können), hat er Vergleiche gezogen: „Stellt Euch mal vor“ – zum Beispiel, wie das wäre, wenn eine Hochzeitsgesellschaft aus der eigenen Familie oder die Oma im Garten bei der Gemüse-Ernte mal eben weggebombt würde, die Körper bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, nicht mal mehr genug davon übrig, daß man etwas beerdigen könnte. Warum? Einfach, weil der angreifende Staat – die USA – überhaupt nicht überprüft, ob das „Terroristen“ sind. Diese Art der Erzählung spricht sehr direkt unsere Empathie an: Auf einmal können sich viele vorstellen, wie das wäre, wenn es die eigenen Verwandten oder Freunde treffen würde und damit, wie es für die Verwandten und Freunde der ermordeten Zivilisten in anderen Ländern ist. Das kann eine Tagesschau so eher nicht bringen.

Mit dieser Erzähl-Art an sich erinnert er mich ein wenig an Rayk Anders. Rayk versucht zumindest teilweise ebenfalls, uns Ereignisse, die scheinbar weit weg sind, in unsere persönliche Vorstellungswelt zu holen. Allerdings dann wieder mit relativ kurzen Clips, die sich jeweils nur mit einem konkreten Thema befassen. Und er wird nicht unbedingt so kraß deutlich.

Und schließlich: Mit einer eher ungewohnten Kombination aus Recherche einerseits und andererseits einer Sprache, die eher nach Kommentar klingt. Ja, es ist auch Kommentar dabei, und dazwischen ein expliziter Rant. Ein Kommentar mit so vielen Links zu Quellen und teils wissenschaftlichen Publikationen, daß einem schwindlig werden kann. Und doch ist es eher eine Dokumentation.

Dem Video ist übrigens anzusehen, daß da richtig viel Arbeit drinsteckt. Rezo sagt im Video, er habe alle seine Quellen „gesichtet“ - ich vermute mal, daß er wissenschaftliche Abhandlungen meist nicht komplett gelesen, sondern nur die Zusammenfassung herangezogen hat, weil er sonst gar nicht mehr fertig geworden wäre. Dazu kommt seine Aussage im Interview mit der t3n („CDU-Zerstörer“ Rezo: „Die FDP hatte Glück, dass das Video schon so lang war“), daß er in Live-Diskussionen „ein signifikantes Problem mit Stottern“ habe. Daher wohl auch die vielen Schnitte: Weil er oft mehrfach „Anlauf“ nehmen mußte. Denn von dem Problem hört man im Video genau – nichts.

Ich las vorhin den Vorwurf, daß Rezo polarisiere (Polarisierung in der Politik ist laut Wikipedia: Verstärkung von Meinungsunterschieden). Öhm, nein? Tatsachen können nicht polarisieren bzw. spalten, es sei denn, man will sie nicht anerkennen. Dann spaltet aber nicht derjenige, der die Tatsachen benennt, sondern derjenige, der sie nicht anerkennen will. Und nein, natürlich ist das kein Journalismus. Rezo behauptet das gar nicht.

Aber dann wieder: Vielleicht sollten sich Journalisten sowohl an dieser Verdichtung als auch an der Übertragung in die eigene Lebens- und Vorstellungswelt ein Beispiel nehmen. Offensichtlich werden Themen und Zusammenhänge dann stärker wahrgenommen.

Und ich glaube, das ist auch nötig.

Auf die peinlichen Reaktionen insbesondere aus der CDU gehe ich hier jetzt nicht weiter ein, die Herrschaften blamieren sich schon von alleine.

(Übrigens: #gehtwählen. Und zwar, was Ihr wirklich wollt.)


History

3 Kommentare zu “„Die Zerstörung der CDU“ von @rezomusik”

  1. Daniel Rehbein quakte:

    Da haben wir also beide gestern abend am Rechner gehockt und uns das Video von Rezo angesehen. Ich war sehr beeindruckt von dem Video, und ich habe es komplett durchgesehen. Nicht angehalten, nicht vorgespult, ich habe wirklich die vollen 55 Minuten am Stück gesehen.

    Über die Drogenbeauftragte der Bundesregierung wusste ich bisher noch nichts, aber ansonsten waren mit die Fakten im Wesentlichen bekannt. Gerade die zahlreichen Kriegsverbrechen, die seit inzwischen fast 20 Jahren im „Krieg gegen den Terror“ passieren, also faktisch selbst Terror sind, sind der Öffentlichkeit bekannt. Es gibt Berichte darüber, daß Scharfschützen auf Journalisten schießen, daß Bomben auf einsame Schäfer in ihrer Schafherde abgeworfen werden, daß ganze Hochzeitsgesellschaften in die Luft gesprengt werden. Es ist seit Jahren alles bekannt, es ist keine Neuigkeit mehr, wir haben uns daran gewöhnt. Da braucht es jemanden, der uns mal wieder wachrüttelt.

    Ich frage mich natürlich auch, wie man Aufmerksamkeit bekommt. An der Politik stört mich auch so manches, und manchmal möchte ich laut schreien. Ab und zu schreibe ich Kommentare unter Artikel im Web, aber die findet ja nie so einen enormen Widerhall.

    Bei Rezo ist wohl ganz wesentlich, daß er bereits eine große Fangemeinde hat, die seine Veröffentlichungen aufmerksam verfolgt. Die Fangemeinde ist ausreichend groß, um das Video weiterzuverbreiten. Das Video ist toll gemacht, es wird darin schlüssig argumentiert, die Ansprache des Publikums ist perfekt. Und doch wäre dieses Video vermutlich untergegangen, wenn es nicht auf einem Kanal mit einer bereits sehr hohen Zahl von Abonnenten veröffentlicht worden wäre.

    Ich habe aber auch den Eindruck, daß die Öffentlichkeit manche Äußerungen von Politikern einfach so abtut. Mir fällt dann ganz aktuell bei der Reaktion von Annegret Kramp-Karrenbauer auf das Video von Rezo auf. Sie sagte „Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab“. Alle Welt amüsiert sich jetzt darüber, daß sie das Video mit Humor überspielen will. Vereinzelt amüsieren sich Menschen darüber, daß es nicht sieben, sondern zehn Plagen gab, aber das war’s dann auch schon.

    Warum geht niemand darüber auf, was Annegret Kramp-Karrenbauer mit diesem Satz aussagt? Sie weisst jegliche Verantwortung für das, was sich politisch in Deutschland und in der Welt tut, von sich. Sie erklärt damit, daß die CDU keinen Einfluß auf die Politik hat. Das ist doch eine Bankrotterklärung! Warum thematisiert das niemand?


  2. Atari-Frosch quakte:

    @Daniel: Tja, da müßten ja vielleicht noch mehr Videos von „Youtubern“ kommen. Leider falle ich für diese Aufgabe aus. Zwar kann die EOS 750D FullHD Video, und das eingebaute Mikrofon ist auch ganz ordentlich, aber mich stellt man besser dahinter und nicht davor 😉


  3. Daniel Rehbein quakte:

    Ich erzähle gerne vor Publikum, ich muß beruflich auch manchmal Vorträge vor ein paar hundert Menschen halten, und das macht mir richtig Spaß.

    Ich habe auch einen Youtube-Kanal. Der beinhaltet Videos von Fahrradtouren, Eisenbahnfahrten und Buchbesprechungen. Aber mit etwas über 300 Abonnenten habe ich ja doch ein eher kleines Publikum.

    So richtig anstrengend finde ich noch das Aufnehmen von Videos, sondern das Schneiden. Beim Aufnehmen muß ich einmal den richtigen Anfang finden, dann rede ich los. Und deshalb muß ich nachher auch nichts herauskürzen. Aber ich nehme mich zur Auflockerung aus verschiedenen Perspektiven auf, d.h. es stehen mindestens zwei Kameras vor mir, in die ich immer mal wieder hineinsehe. Wenn ich Bücher bespreche, habe ich zusätzlich noch eine Kamera in der Hand, mit der die Seiten im Buch zeige. Zum Schneiden muß ich also die verschiedenen Kameraaufnahmen richtig synchronisieren und dann auch die richtigen Schnitt setzen, je nachdem, ich welche Kamera ich gerade schaue oder ob ich gerade etwas im Buch zeige. Das kostet ein Vielfaches der Zeit, die das Video nachher dauert.

    Ich habe nicht so schöne Texttafeln mit Musikuntermalung wie bei Rezo. Und ich mache das als Freizeitvergnügen abends oder am Wochenende. Und meistens habe ich dann doch keine Lust mehr auf diese Arbeit, wenn ich abends aus dem Büro nach Hause komme.


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