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Computer und was das Leben sonst noch so zu bieten hat

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Pleite

3. August 2021 um 16:10 Uhr von Atari-Frosch

Nun ist es also soweit. Das, was ich seit Monaten fürchtete. Ich bin pleite. Jeweils rund 20 € sind noch im Geldbeutel, auf PayPal und auf meinem Bankkonto, und ich bin mit einer Monatsmiete im Rückstand.

Den Antrag auf Hartz IV habe ich am 19. Juli abends in den Hausbriefkasten des hiesigen ARGE eingeworfen. Ja, das war schon knapp, hatte aber mehrere Gründe gehabt. Der Hauptgrund war, was das ARGE von 2009 bis 2018 mit mir und meinem Leben angerichtet hatte. Das ist so ein bißchen wie … Du mußt in ein Haus gehen, in dem Du verprügelt wirst, um weiterleben zu dürfen (falls Du überlebst), aber wenn Du nicht reingehst, gehst Du auf jeden Fall drauf. Würdet Ihr immer wieder freimütig in dieses Haus gehen?

Den ersten Anlauf nahm ich bereits im November letzten Jahres. Ich schickte erst den formlosen Antrag und bekam eine E-Mail mit einem Antrags-PDF. Diese Datei ließ sich mit evince nicht ausfüllen. Also, so gar nicht. Dann stellte ich fest, daß ich einen Teil des gesamten Antrags gar nicht brauche, besorgte mir ein Tool zum Teilen von PDF-Dateien und schnitt die nicht benötigten Seiten weg. Das PDF, das dabei herausfiel, ließ sich zwar scheinbar ausfüllen, aber die Schrift wurde transparent dargestellt – sobald ich ein Feld verließ, war der Inhalt wieder unsichtbar, und gedruckt wurde das natürlich auch nicht. Nachdem ich mehrere Tage in dieses PDF sowie in das stapelweise Scannen von verlangten Unterlagen investiert hatte, erfuhr ich aus den Nachrichten, daß ich noch zu viel Guthaben hatte, um den Antrag durchzubringen, und ließ es erstmal sein.

Anfang Juni ging ich dann wieder dran. Ich lud mir den aktuellen Antragssatz herunter und fing mit dem Ausfüllen an. Diesmal ging das mit meiner Software. OK, fast – bis auf die Ankreuz-Felder. Bei der Suche nach der Anlage EKS, die nicht im Antragssatz vorhanden war, entdeckte ich, daß Selbständige einen ganz anderen Antragssatz ausfüllen sollen. Mir war das eh schon seltsam vorgekommen, was da alles abgefragt wurde.

Und dann kam die Pfändung. Nachdem ich schon wochenlang kaum noch Briefe aufmachen konnte, war ich nicht mal vorgewarnt. Die Hälfte des noch vorhandenen Guthabens wurde mir vom Konto gezogen (die Hälfte davon wiederum unberechtigt, aber ich hab mich ja nicht gewehrt, ne), nachdem das Konto vom 4. Juni an den ganzen Rest des Juni blockiert war. Lastschriften platzten zunächst, und ich mußte eine Lebensmittel-Bestellung stornieren. Auch die Miete für den Juli, die Ende Juni als Dauerauftrag rausgehen sollte, ging nicht ab. Ich stornierte den ganzen Dauerauftrag, weil mir unklar gewesen war, wie lange ich keinen Zugriff haben würde. Derweil lief wegen einer Bestellung, die ich nicht mehr stoppen konnte, mein PayPal-Konto ins Minus, weil das Geld nicht von meinem Bankkonto eingezogen werden konnte.

Danach ging bei mir gar nichts mehr, ich war nahezu handlungsunfähig. Meine Hauptbeschäftigung für den Juni bestand in Stimming. Also wenn ich nicht gerade meinen Kühlschrank enteisen mußte, weil ich die Tür zum Tiefkühl-Teil am Abend zuvor nicht richtig zugemacht hatte oder mich mit Vodafone wegen meiner festen IP herumschlagen mußte. Und dann fand ich noch heraus, daß das Objektiv, das ich mir als Ersatz für meine beiden bisherigen Objektive gekauft hatte, die im Mai aus unerfindlichen Gründen plötzlich beide kaputt waren, gar nicht zu meiner Kamera kompatibel ist und daher bei Autofokus nur unscharfe Bilder liefert.

Am 23. Juni nahm ich einen neuen Anlauf. Diesmal versuchte ich es elektronisch. Dafür muß man sich bei der Arbeitsagentur einen Account klicken und soll dann einen Brief mit einer PIN bekommen, um seine Identität zu bestätigen. Der Brief kam – nicht. So kann man natürlich auch verhindern, daß eine Dienstleistung in Anspruch genommen wird.

Am 1. Juli war mein Konto dann wieder frei. Ich überwies die ausstehende Miete und zahlte ein Darlehen zurück, das mir jemand auf PayPal gegeben hatte, damit ich das Konto nicht verliere und ich weiterhin zumindest via TooGoodToGo Lebensmittel kaufen konnte. Dann kamen noch so Dinge wie Zwangsbeitrag zur Handwerkskammer, die halbjährliche Bezahlung meines „kleinen“ V-Servers bei Netcup, den ich eigentlich für ein Projekt habe, zu dem ich nicht komme, Gas, Krankenkasse … ja, und das war's. Jetzt ist da fast nix mehr. Den Krankenkassen-Beitrag bekomme ich zwar vermutlich wieder zurück, aber im Moment ist das Geld für mich halt nicht verfügbar.

Nachdem fast einen Monat nach Anforderung klar war, daß diese PIN von der Arbeitsagentur nicht mehr kommen wird, nutzte ich am 19. Juli die Tatsache, daß ich plötzlich ungewöhnlich viele „Löffel“ hatte, und ging nochmal an den Antrag für Selbständige. Vorher schickte ich den formlosen Vor-Antrag per E-Mail. Ich zog nochmal alle Kontoauszüge der letzten drei Monate (Bankkonto und PayPal), druckte einen ganzen Stapel Zeug aus und steckte das Ergebnis in einen C4-Umschlag, den ich gegen Abend in den Hausbriefkasten des ARGE in der Luisenstraße einwarf.

Bei Selbständigen geben sie sich dann 10 Tage ab Einreichung bis zu Bescheid und Auszahlung. Das wäre spätestens am 30. Juli gewesen. Stattdessen kam am 27. Juli ein Anruf, daß man mich nicht als selbständig anerkennen wolle, weil ich für die nächsten sechs Monate keine Aufträge AKA Einnahmen angekündigt habe. Man gab den Antrag daher zu den „Arbeitssuchenden“, die würden sich nochmal bei mir melden.

Was seitdem kam: Ein Stellenangebot in Teilzeit (ja, Teilzeit hatte ich angegeben) für Telefonistin/Kundenberatung. Und natürlich nicht in Düsseldorf, sondern in Hilden. Wie ich da ohne Geld hinkommen soll, sagen sie mir nicht dazu.

Klar, vermittelt einem Autisten einen Telefonjob, ganz tolle Idee. 🤦‍♀️

Ich weiß noch nicht, was ich damit anfange. Natürlich ist die Bewerbung völlig sinnlos. Ich tu mich mit Bewerbungen sowieso schon extrem schwer, mit sinnlosen Tätigkeiten erst Recht.

Einen Bescheid haben sie mir nicht geschickt. Geld ist auch nicht auf meinem Konto eingegangen.

Daß dem ARGE der Gegenwärtigkeitsgrundsatz (Leistungen müssen dann ausbezahlt werden, wenn sie gebraucht werden, das kann nicht einfach warten) scheißegal ist, wußte ich ja schon. Und mit Verschleppungen muß man da auch immer wieder rechnen, auch diese „Spielchen“ waren mir bereits bekannt. Bei Neu-Anträgen sollen sie laut meiner letzten Anwältin da besonders trickreich arbeiten, damit es möglichst lange dauert und sich der Delinquent sozusagen von selbst erledigt.

Das muß dieser „Sozialstaat“ sein, von dem immer alle reden.

Achja, ich könnte dann mal wirklich einen bezahlten Auftrag gebrauchen …


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5 Kommentare zu “Pleite”

  1. Sul Sul quakte:

    Du hast es über ein halbes Jahr nicht geschafft, ein überlebensnotwendiges PDF-Formular auszufüllen und abzuschicken? Du brauchst keinen bezahlten Auftrag, du brauchst Hilfe. 😐


  2. Atari-Frosch quakte:

    @Sul Sul: Nicht ganz. Ich mußte ja auch einige Monate warten, damit ich nicht mehr über dem Anspar-Freibetrag bin, bevor ich den Antrag rausschicke.

    Und ja natürlich brauche ich bezahlte Aufträge, um dem menschenverachtende Schikane-System auszuweichen.

    Und ja, Hilfe brauche ich auch. Das ist kein Widerspruch.


  3. Max G. quakte:

    ca. 90% des hier geschriebenen kann ich absolut nachvielziehen und leider auch bereits selbst erlebt. Ich bin schon vor 15 Jahren wegen der Situation auf den Sozialstaat angewiesen zu sein und trotzdem hängen gelassen zu werden, in einer psychiatrische Einrichtung eingewiesen worden. Hatte mir geschworen nie wieder etwas mit diesem absoluten menschenunwürdigem System etwas zu tun haben zu wollen. Dann kam leider der Krebs. Seit Monaten sitze ich in meinen 4 Wänden kann mich kaum bewegen aufgrund einer Hyperkeratose. Ich werde anhand eines nicht vorhandenen Beziehungsstatus berechnet und muss von 200€ ca. 930€ Fixkosten jeden Monat tragen. Was natürlich nicht geht. Aber man sagte mir ja nachdem mein Widerspruch abgelehnt wurde, ich könnte ja ruhig vor dem Sozialgericht klagen. Spoiler: 1-3 Jahre Bearbeitungszeit. Meine psychische und physische Gesundheit ist mittlerweile kritisch. Aussicht auf Besserung eher gering. Chance auf Gerechtigkeit eher langwierig mit mäßiger Aussicht auf Erfolg. Ein BGE wäre längst überfällig. Ein Eingestehen der absolut desaströsen Politik ebenfalls.

    Ich wünsche gute Besserung!


  4. Michael Richter quakte:

    Für so eine existenzbedrohende Situation klingt das ja alles vergleichsweise nüchtern beschrieben.
    Das hättest Du vor ein paar Jahren sicher noch anders ausgedrückt.


  5. Julia S quakte:

    Ich würde dir so gerne helfen! Leider stecke ich in einer ähnlichen Situation; ich bin pleite bzw. lebe von dem, was das Sozialamt mir so gibt. Zum Glück habe ich eine liebe Sozialarbeiterin und das hiesige Sozialamt (Finnland) ist auch insgesamt deutlich freundlicher als die „Kollegen“ in Deutschland, aber das heißt ja leider nicht, daß ich Geld oder Sachen zum Spenden übrig hätte.

    Aber daß dem Amt immer erst am letzten Tag der Bearbeitungsfrist einfällt, daß ihnen z. B. noch diese oder jene Unterlage fehlt oder daß ich eigentlich ein ganz anderes Formular hätte ausfüllen müssen (zusätzlich oder stattdessen), das gibt’s hier leider auch. Und danach fängt die Bearbeitungsfrist, wenn man Pech hat, dann halt nochmal neu an. Die Leute sitzen da und warten geduldig, daß es vielleicht mir ein- bzw. auffällt, und wenn es mir dann am Ende der Frist nicht eingefallen ist, naja… siehe oben. *facepalm*


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